Himmel im Herzen und Lob Gottes mit Herzen, Mund und Hand und Fuß

Corinna Wirth, Lob Gottes mit dem ganzen Körper, bei Vorbereitung der Steigerposition. Foto: Kapp-Kleineidam

Corinna Wirth, Lob Gottes mit dem ganzen Körper, bei Vorbereitung der Steigerposition. Foto: Kapp-Kleineidam

Lukas 24,50-53


(50) Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. (51) Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.
(52) Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude (53) und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

 

Liebe Gemeinde,

 

I. Geöffnet

 

Betritt man die Stadtkirche zum ersten Mal fällt einem sofort der lichtdurchflutete 16 Meter hohe Raum auf. Die warmen Farbtöne der Säulen laden zum Bleiben ein. Beim formschönen frühbarocken Hochaltar fesselt das eingefügte romantische Werk von August Riedel „Jesus im Garten Gethsemane“ mit seinem auffallenden Licht aus einer anderen Welt. Es lädt nicht nur ein, in Heilig Dreifaltigkeit neue Kunsteindrücken zu sammeln, sondern auch sich einen stillen Platz zu suchen, um das vor den ganz Anderen zu bringen, was einen unbedingt angeht. Von 9-18 Uhr ist sie verlässlich jeden Wochentag im ganzen Jahr geöffnet.

 

II. Offene Kirche

 

Ein halbes Jahr nach ihrer Wiedereröffnung darf sich mit dem heutigen Tag die Stadtkirche offiziell als „Offene Kirche“ und zugleich als „Radwegekirche“ bezeichnen. Regelmäßig geöffnet war sie schon vor der Renovierung vor 8 Jahren. Als sogenannte „Offene Kirche“ bettet sie sich in ein Programm der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ein. Möglichst viele Kirchen sollen auch außerhalb der Gottesdienstzeiten für Gäste zugänglich sein. Offenheit ist ein schönes Programm, das sich Städte auf die Fahnen schreiben mit dem Tag des offenen Denkmals oder in der Museumsnacht am kommenden Samstag, wenn die Menschen mitten in der Nacht von einem Ausstellungshaus zum nächsten pilgern können. Warum aber ist eine Kirche, wie die unsere, eine sogenannte „Offene Kirche“?

 

III. Elia, Engel und Augustus - das Pantheon

 

Der Christi Himmelfahrtstag begründet im Grunde dieses Programm der „Offenen Kirchen“. Himmelfahrten wurden in der Antike mehrfach beschrieben: Da war die Himmelfahrt des Propheten Elia, der mit einem feurigen Wagen und feurigen Rössern im Wetter dem Elisa entrückt wurde (2. Könige 11f.). Oder da erzählt das Richterbuch von einem Engel, der vor dem Vater Simsons, Manoach, und seiner Frau in einer Feuerflamme vom Altar in den Himmel auffuhr (Richter 13,20). Auch von Kaiser Augustus wird ähnliches berichtet. Bei Cassius Dio ist zu lesen, dass ein gewisser Senator Numerius Atticus geschworen hat, wie er Augustus zum Himmel hinauffahren sah. Er wurde mit  250 000 Sesterzen für diesen Eid reichlich belohnt. Diese Himmelfahrt in den Pantheon, den Götterhimmel, war also gar nicht so unüblich für antike Ohren. Entscheidend ist, für wen sich der Himmel da geöffnet hat.

 

IV. Der offene Himmel

 

Die christliche Gemeinde bekennt, dass nicht ein Heerführer und Schlachtenlenker, aber auch kein Pontifex Maximus, ein Oberpriester, wie Oktavian sich nennen ließ, sondern dass ein von der römischen Staatsmacht Gekreuzigter in den Himmel gehoben wurde, von dem im Jahr, als ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, die Menge der Engel vom Himmel herabstiegen und verkündigten, dass er Frieden auf Erden bringen würde, wie es am Anfang des Lukasevangeliums heißt (Lukas 2,14).

Nun, am Ende des Evangeliums sollte das Wohlgefallen deutlich werden. Der scheidende Christus wird als segnender gezeichnet, der den Himmel für alle öffnet. Das Bild vom segnenden Christus hat sich den ersten Christen so eingebrannt, dass sie ihn vielfach in den Katakomben an die Wände malten. Hier entzündete sich die christliche Malerei.

Die Jünger aber verehren, ja beten den äußerlich scheidenden Jesus an, so heißt es. Er wird in den Himmel gehoben. Ist entrückt. Aber sein eigentlicher Sitz ist im Herzen. Wo sonst sollten wir den liebenden Gott und den Himmel suchen als in dem transzendenten Ort unserer Seele. Segen heißt, dass die Jüngerinnen und Jünger für das Reich Gottes bestimmt wurden und werden. Die Jünger trugen den Himmel im Herzen, sonst würde man die große Freude wohl kaum verstehen, als er von ihnen schied. Das was für Augustus mit Sesterzen erkauft wurde, eroberte Christus allein mit Segen. Und das heißt, er eröffnete einen Raum, in dem man über das Alltäglich hinauskommt und von dem ganz Anderen berührt wird.

 

V. Offene Kirche, weil sie eine andere Sprache spricht

 

Die Kirchen sollen für jeden Menschen offen sein, weil sie eine andere Sprache sprechen. Pfingsten meldet sich an und das einmal ganz anders. Steinerne Zeugen fangen an zu sprechen mit ihren Kunstwerken, mit ihren Zeugnissen aus dem Mittelalter bis zur Moderne. Sei es mit dem Kreuz auf der Grabplatte aus dem 13. oder 14. Jahrhundert, die bei unserer Kirche während der Restaurierung gefunden wurde, über das Renaissance-Löwentor als Zeichen des Lukas, auf der Nordseite der Kirche, bis hin zum Osterkerzenleuchter, der im letzten Jahr entstanden ist. Überall finden sich Botschaften von den Werken Jesu, der den Himmel für alle Menschen, für den Kosmos geöffnet hat. Die Antwort des Menschen ist über die Jahrhunderte gleich. Schon in der Keimzelle der christlichen Kirche heißt es nach dem Lukasevangelium ganz zum Schluss: Sie waren allzeit im Tempel und priesen Gott.

„Mit Herzen, Mund und Händen“ Gott zu loben und zu danken, das sehen wir jetzt auch in unserer „Offenen Kirche“ auf eine ganz besondere Weise.

 

Performance der Radkünstlerin Corinna Wirth.

 

I. Dem Schöpfer mit dem ganzen Körper die Ehre geben

 

Als ich die Performance der Radsportkünstlerin Corinna Wirth begleitet von der Improvisation unseres Kantors Michael Dorn bei der Probe zum ersten Mal sah, dachte ich: „Auwei, was soll ich da noch sagen?“ Mit Dir Michael und mit den Eltern von Frau Wirth überlegten wir, wo wir die Darbietung unterbringen - vielleicht am Anfang oder am Ende des Gottesdienstes? Wir sind dabei verblieben: Sie gehört mitten in die Predigt als ihr Höhepunkt. Denn mit Herzen, Mund und Händen lautet das Motto des Festjahres unserer Kirche. Und wir sahen es gerade eben doch ganz deutlich: Gott wird gelobt nicht nur mit dem Mund, sondern mit den Händen, mit den Füßen, ob mit Sattel-Lenker-Stand oder Steigerposition auf dem Hinterrad, hier wird mit dem ganzen Körper unserem Schöpfer die Ehre gegeben. Und das berührt in diesem Raum auf unglaubliche Weise.

 

II. Der Mund muss reden

 

Und doch muss davon auch der Mund reden, nicht weil er meint, er könne das ganze Geheimnis, was sich da vor seinen Augen abgespielt hat, in Worte fassen: Beispielsweise die Kunst der Körperbeherrschung oder die Fähigkeit in extremen Situationen das Gleichgewicht zu halten, sondern weil wir etwas gesehen haben, was für unser Leben heute wichtig ist: Die Bewegung des ganzen Menschen - nicht nur mit dem Fuß auf dem Gaspedal oder der steuernden Hand im Flugzeug-Cockpit.

 

Himmelfahrt ist Bewegung des ganzen Menschen: Zum einen ist es Christus der in den Himmel der Herzen gehoben und bewegt wird und von dort und durch sie die Welt regiert. Zum anderen ist es die Jüngerschar, die sich zurückbegibt an den Ort der vermeintlichen Niederlage, nach Jerusalem; und das mit großer Freude, weil von dort aus der Aufbruch einer ganz neuen Bewegung ihren Ausgang nehmen sollte. Himmelfahrt ist Bewegung.

 

III. Die Bremser

 

Es muss deshalb gesagt sein, weil unsere Zeit immer wieder darunter leidet, dass Bewegung ausgebremst wird. Damit spreche ich nicht von Menschen, die einen anderen oder eine Einrichtung vor Schaden bewahren wollen. Ja, gelegentlich muss man exzellent begründet „Nein“ sagen. Es geht vielmehr um Sätze wie: „Das haben wir immer schon so gemacht.“ „Da könnt ja jeder kommen.“ und „Wo kämen wir dahin?“ Ich denke, am Himmel-fahrtstag sollte die letzte Frage geklärt sein, wohin unsere Reise geht.

 

IV. Bewegung und Tempo ohne Bremsen

 

Um die beiden anderen Einwände aufzulösen, lohnt vielleicht ein genauer Blick auf so ein Kunstsportrad: So ein Rad hat einen Lenker, zwei Räder, ein Gestänge, Pedale mit Kette und einen Sattel wie jedes andere Rad. Aber es fehlen - Bremsen. Nur dadurch ist es möglich, auch rückwärts zu fahren, quasi in die Vergangenheit oder einmal ungewöhnlich auf dem Lenkrad in die Zukunft zu gleiten, wenn es die Gegenwart erfordert. Hier würden Handbremsen am Lenkrad ungemein stören. Die Fahrerin muss ihre Bewegungen und ihr Tempo so abstimmen, dass sie keine Bremsen braucht. Dann scheint sie, den Gesetzen geradezu enthoben, obwohl gerade unsere Sportlerin das Gesetz der Schwerkraft hinsichtlich des harten Sandsteinbodens unserer Kirche kennt und achtet. Sie setzt sich über Gesetz und Tradition, die den Bremsern ja wichtig sind, nicht einfach hinweg, erfüllt aber deren Forderungen mit Hingabe des ganzen Körpers und mit ---Liebe und nicht mit harten Bremsen. Manches muss man halt auch mal anders machen.

 

V. Bewegung um mit Gott in Kontakt zu kommen

 

„Da könnt ja jeder kommen.“ Im Grunde ist das ganz richtig, jeder sollte mit dem Rad zur Kirche kommen, ob mit zwei oder drei Rädern, mit Tandem oder Liegerad, mit Alltagsrad, Trackingrad oder Mountainbike, Bonanzarad, Pedelec oder - die gar nicht mehr radeln können - mit der Fahrradrikscha; denn wer uns da völlig entflammt und in Bewegung setzt, ist der Segnende, nicht der Zeigefinger Hebende. Himmelfahrt ist Bewegung des ganzen Menschen als Lob Gottes. Unsere Kirche konnte auch schon früher mit dem Rad angesteuert werden. Doch sie ist es jetzt als Gemeinschaft von Menschen, mit Himmel im Herzen, die in Bewegung im und zum Reich Gottes unterwegs sind – raus aus dem Alltäglichen und raus aus dem, was uns binden und knechten will. Heilig Dreifaltigkeit ist jetzt eine der über 250 Radwegkirchen in Deutschland. Und sie ermuntert die Menschen zur Bewegung mit dem recht alten Verkehrsmittel, das als Laufrad 1817 begonnen hat, nicht nur weil es für die Gesundheit gut ist, motorische Fähigkeiten fördert, Aggressionen abbaut, für das seelische Wohlbefinden gut ist, unsere Stadt von Lärm und Parkplatznot entlastet, das Bedürfnis nach Reisen in für Erde, Mensch und Natur erträgliche Bahnen lenkt und ganz nebenbei Klima, Menschenleben und Artenvielfalt bewahren hilft, sondern weil wir zu Räumen kommen, in denen wir keinen Eintritt zahlen müssen, um einen Platz zu bekommen. Weil man in den Radwegekirche sein darf, ohne gleich etwas leisten zu müssen und vor allem weil wir mit dem in Kontakt kommen können, der uns in Jesus Christus von Herzen liebt und uns den Himmel offen hält.

 

Amen.

 

 



Autor: Martin Kleineidam