Durch den Glauben Leben haben

Predigt über Joh 11, die Auferweckung des Lazarus


Joh 11, 1.3. 17-27. 41-45

Es lag aber einer krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf Marias und ihrer Schwester Marta.   Da sandten die Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen: Herr, siehe;  der, den du liebhast, liegt krank.


Als Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen. Betanien aber war nahe bei Jerusalem, etwa eine halbe Stunde entfernt. Und viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, sie zu trösten wegen ihres Bruders.

Als Marta nun hörte, daß Jesus kommt, geht sie ihm entgegen; Maria aber blieb daheim sitzen.  Da sprach Marta zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben. Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta spricht zu ihm: Ich weiß wohl, daß er auferstehen wird - bei der  Auferstehung am Jüngsten Tage.

 

 Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.  Glaubst du das?

 Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, daß du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.

Da hoben sie den Stein weg. Jesus aber hob seine Augen auf und sprach: Vater, ich danke dir, daß du mich erhört hast. Ich weiß, daß du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich's, damit sie glauben, daß du mich gesandt hast.

 Als er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!

 Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Gesicht war verhüllt mit einem Schweißtuch. Jesus spricht zu ihnen: Löst die Binden und laßt ihn gehen!

Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus

Liebe Gemeinde,

gegen Ende seines Evangeliums schreibt Johannes: „Noch viele andere Zeichen, die in dies Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.“ (Joh 20, 30f.)

Darum geht es Johannes: Er will den Glauben an Jesus Christus wecken, weil er überzeugt ist, dass dieser Glauben zum Leben führt, zu erfülltem, glücklichen Leben. Und das wollen ja eigentlich alle Menschen.  Die Geschichte wie Lazarus auferweckt wird, ist eines dieser Zeichen, die Johannes aufführt. Doch spätestens seit der Aufklärung tun sich Menschen schwer mit solchen Wunder-Geschichten. Der Verstorbene Lazarus lag bereits vier Tage im Grab, als Jesus ihn ruft und er noch in Tücher gewickelt aus dem Grab steigt.

Können wir uns das vorstellen? Können wir das glauben?

Die theologische Forschung nimmt an, dass dem Evangelisten Johannes eine sogenannte „Zeichen-Quelle“ vorlag. Diese Quelle enthielt Texte mit Wundern und Zeichen wie etwa die Geschichte vom Weinwunder in Kana oder eben die Erweckung des Lazarus. Die Zeichen und Wunder sind in dieser Quelle jeweils sehr spektakulär geschildert. Johannes greift Texte aus ihr auf, um durch die Wunder bei seinen Lesern Glauben zu wecken, er macht aber in seinem Evangelium deutlich, dass er ein tieferes Verständnis von Glauben hat, eines, das keine spektakulären Wunder braucht.

Von der wundersamen Auferweckung des Lazarus ist es allerdings nicht weit zu Jesu eigenem Geschick, zu seiner Auferweckung bzw. Auferstehung, die ja auch schwer vorstellbar ist. Der Evangelist Johannes greift Jesu Auferstehung schon in unserer Geschichte auf, greift ihr gewissermaßen vor bei dem Gespräch von Jesus mir Marta:

„Jesus spricht zu Marta:  Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.  Glaubst du das?  Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.“

Marta glaubt, dass Jesus der Christus ist, also der von den Juden erwartete Messias, der Gesalbte (Christus heißt auf Griechisch, was Messias auf Hebräisch heißt: beides bedeutet „Gesalbter“ im Sinne des Königs, des Retters).  Martas Vertrauen ist so tief, dass sie von Jesus alles erwartet, vor allem dass er Leben schenkt, sogar über den Tod hinaus. „Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt“.

Nun berichtet Johannes in seinem Evangelium aber nicht nur von fest überzeugten Anhängerinnen und glaubenden Jüngern Jesu, sondern auch von Zweifelnden. Nach Jesu Tod und Auferstehung ist es der Jünger Thomas, der zu den anderen sagt: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe (…) und meine Hand in seine Seite lege, kann ich´s nicht glauben.“ Wir können uns vorstellen, wie bestürzt er ist, als ihm Jesus dann erscheint, er ihn tatsächlich sieht und er ihn berühren kann, wie Joh. – wieder mit der Zeichen-Quelle als Vorlage - schreibt. „Mein Herr und mein Gott“ ruft Thomas  da aus. 

Ja, wenn ich sehen und fühlen dürfte so wie Thomas, dann würde mir der Glaube leichter fallen, denkt jetzt vielleicht der eine oder die andere. Oder wenn wir die Erweckung des Lazarus miterlebt hätten wie die Menschen, die damals dabei waren. Am Schluss unserer Geschichte heißt es ja:„Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.“  Die, die dabei waren, sahen das Wunder und glaubten deshalb an Jesus.

Aber, liebe Gemeinde, manchmal sehen wir etwas nicht, obwohl es geschieht. Es ist ja eine Frage der Wahrnehmung. So vieles passiert, und dabei ist auch Wundersamens, doch die einen sehen es, die andern nicht. Es gehört wohl eine bestimmte Haltung dazu, dass man aufgeschlossen ist für Gottes Wirken, für das Wirken des Heiligen Geistes; ja eine erwartungsvolle Grundhaltung, damit man so manches als Wunder wahrnimmt. Wenn z.B. jemandem bei einem Autounfall nichts Schlimmes passiert, kann man das als Zufall betrachten oder sagen, dass ja der Sicherheitsgurt da war – aber man kann das auch als Bewahrung Gottes und als Wunder wahrnehmen.

Zum Glauben gehört auch das Vertrauen, dass es noch mehr gibt als das, was wir mit unseren Augen sehen können, mehr als das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Zu Thomas sagt der auferstandene Jesus: „Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Manche brauchen so eindrückliche Wunder wie das von Lazarus, um glauben zu können. Manche müssen sehen und fühlen wie Thomas. Doch für Johannes ist der tiefere, eigentliche Glaube der, der nicht erst Wunder (und Zeichen) sehen muss.

Marta hat die Auferweckung ihres Bruders noch nicht gesehen, als sie ihren Glauben in Bezug auf Jesus ausdrückt.  Sie ist der glaubende Mensch schlechthin. Menschliches Leben und menschlicher Tod sind für sie nur Abbilder und Hinweise.

In Bezug auf die Worte: „Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben“ schrieb der Theologe R.Bultmann: „Der Glaubende mag den irdischen Tod sterben; gleichwohl hat er das „Leben“ in einem höheren, im endgültigen Sinne. Und wer noch im irdischen Leben weilt und ein Glaubender ist, für den gibt es keinen Tod im endgütigen Sinne; das Sterben ist für ihn wesenlos geworden.“

„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Marta ist so eine Selige, so eine Glückliche; ebenso sind alle die glücklich, die glauben können ohne einen Beweis vor Augen haben zu müssen.

Johannes hat versucht, diesen Glauben zu wecken, Apostel und Predigende versuchen seit 2000 Jahren, ihn zu vermitteln. Wer aber Schwierigkeiten mit dem Glauben an die Auferstehung hat, dem möchte ich sagen: Unser Glaube ist nichts, was wir selbst herstellen könnten. Wir können zwar eine aufgeschlossene Grundhaltung einnehmen (wie ich vorhin sagte). Wir können Gottes Wort anhören und uns mit der Bibel beschäftigen wie ihr Konfirmand/inn/ en gerade. Aber den Glauben machen, das können wir nicht. Der Glaube wird letztlich vom Heiligen Geist bewirkt, wie Martin Luther sagt: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich (…) berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt (…)“. In diesem Sinne können wir um den Hl. Geist bitten. Wir tun das auch immer wieder im Gottesdienst: etwa beim Abendmahl oder bei der Konfirmation, da wird für Euch, liebe Konfirmand/inn/en der Hl. Geist erbeten. 

Denn der Hl. Geist hilft uns zu glauben.

Glaube hängt mit glücklichem, erfülltem Leben zusammen – das möchte Johannes weitergeben: „….damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.“

Der Glaube an Jesus kann gegen die Angst vor dem Tod helfen.  Das Kreuz, das nicht nur bei unserem 400 Jahre alten Altar, sondern auch in vielen anderen Kirchen ganz oben steht, ist das Zeichen der Zeichen. Es steht nicht nur für Jesu Tod, sondern für viel mehr: Das Kreuz ist ein Symbol dafür, dass Jesus für uns gestorben ist, sich für uns hingegeben hat, und dafür, dass er nicht im Tod geblieben ist, dass er die Auferstehung und das Leben ist. (Daher schimmert bei vielen Kreuzen Gold auf – es verweist auf das ewige Leben). Das ist sehr tröstlich und hilft gegen Angst. Das ewige Leben können wir nicht sehen, aber wir können uns Jesu Worte ins Gedächtnis rufen: „Wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ Da ist die Hoffnung auf eine andere Art von Leben, auf die Auferstehung und das ewige Leben.

Der Glaube an die Auferstehung lässt uns auch aufstehen gegen das, was bei uns todbringend ist. Seit Jahrzehnten setzen sich Christen in der Friedensbewegung ein, engagieren sich bei „Frieden schaffen ohne Waffen“. Immer wieder gibt es Proteste gegen Waffenlieferungen.

„…damit ihr durch den Glauben das Leben habt“. Christen schauen darauf, was dem Leben dient, was lebensförderlich ist. Der Glaube schenkt Mut, für das Leben einzutreten: für Schwache, deren Leben beschnitten wird, für Fremde, deren Leben bedroht ist. Da macht die eine regelmäßig Besuche im Krankenhaus und setzt ihre Zeit und Energie dafür ein, Lebensmut weiterzugeben. Da steht ein anderer seinem Freund bei, der sich in eine Sache reingeritten hat und bestärkt ihn bei seinem Versuch, da wieder rauszukommen. Es gibt viele Beispiele, wo Menschen aus dem Glauben heraus für andere eintreten.

Ich wünsche uns allen, dass der Heilige Geist uns hilft, durch den Glauben das Leben zu haben.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Autor: Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam