Aufgewacht

Epheser 5,14 Reimpredigt am Faschingssonntag


Wach auf, der du schläfst. (Epheser 5,14)

Wenn der Georg auf die Lehrer mit Papierkügelchen schießt
und mit Kaugummis auf dem Stuhl die Laune vermiest,
wenn er den Zopf der Heidi vor ihm unbemerkt kürzt
und im Schullandheim das Essen mit Chilisauce würzt,
wenn der kluge Kopf seine ganze Kreativität verwendet,
wie er seine Langeweile im Unterricht beendet,
so dass, kaum hat er ausgeführt den einen Streich,
kommt ihm in den Sinn der nächste und schlimmere gleich,
wenn dann die Lehrerin in der Sprechstunde schilt:
Frau Müller, ihr Georg treibt`s doch allzu wild,
und die Mutter von Heidi am Telefon klagt,
dass der Lausbub sich gar an die Haarpracht ihrer Tochter wagt,
dann reagiert Georgs Mutter – die ist Ärger gewöhnt -
vielleicht humorvoll, friedlich und mit dem Schicksal versöhnt:
Ja, unser Schorsch,
des is halt a aufgeweckter Borsch.

So, liebe Leute, hat es der Paulus wohl nicht ganz gemeint,
wenn er die Gemeinde, die in der Stadt Ephesus vereint
mit einem Weckruf versuchte aufzurütteln,
an den Schultern zu packen und durchzuschütteln.
Wach auf, der du schläfst, ruft er auch uns heute zu,
dass wir nicht schlummern und dösen in sanfter Ruh.
Deswegen heißt das Thema heute:
Gott braucht aufgeweckte Leute.
Bestimmt nicht wie den Georg, dem nur Blödsinn einfällt,
wie er zur Weißglut treiben kann seine ganze Umwelt.
Auch wenn wir Ältere über unsere Kindheitsstreiche lachen,
die Zahnpasta am Türgriff und solche nie auszurottende Sachen.
Aufgeweckte Christen, auch die haben Phantasien und Ideen,
nur dass die nicht im Dienste des Schabernacks stehen,
sondern wie man Gutes tun und helfen kann
dem Nächsten ganz in der Ferne und nebenan.
Ja so ein Christ, ändere ich den Spruch geschwind,
ist doch ein aufgewecktes Gotteskind.

Das mit dem Schlafen – nicht nachts im Bett im Nachtgewand
oder ganz ohne, wie Gott Adam und Eva erfand,
nicht dieses in die Kissen fallen wie ein Murmeltier
oder endlich nach dem Schäfchenzählen „zweitausenddrei, zweitausendvier“
nicht dieses wunderbare sich Erholen und Kräfte sammeln -
ohne das würden wir nach kürzester Zeit vergammeln -
nicht der Schlaf als Wohltat wird hier verunglimpft
und der als Träumer und Schläfer beschimpft,
der die Ruhe braucht und sie sich auch gönnt,
weil er sonst nur von Termin zu Termin rennt.
Nicht einmal der Kirchenschlaf ist heute angeklagt,
der manchen sonst bei langweiligen Predigen plagt.
Auch darauf müssen wir nicht lange rumreiten,
denn den gab es schon zu der Apostel Zeiten.
Eutychus, nicht einmal ein ganz so alter Mann,
von denen mancher die Augenlider nicht mehr halten kann,
saß im offenen Fenster und sank, wie die Apostelgeschichte berichtet,
in tiefen Schlaf, weil Paulus so lange redet – oder dichtet.
Leider befand man sich im dritten Stock,
der junge Mann erlitt nicht nur einen kräftigen Schock.
Er war tot. Doch wurde er, als den andern der Schreck noch in den Gliedern steckt,
von Paulus durch ein Wunder wieder auferweckt.
Zum Vorbild sollte sich diesen Eutychus niemand nehmen
und sich zum Schlafen lieber in sein Bett bequemen.
Eytuchus übrigens, den heute wohl niemand mehr kennt,
heißt „der Glückliche“, die man bei uns lateinisch Felix oder Beate nennt.

Also, nichts gegen den Schlaf, den der Körper braucht – und der Geist,
wir wissen ja, was dieses „verschlafen sein“ eigentlich heißt.
Oft hört man ja – man könnte auch sagen: man hört die Leute waafen,
Bayreuth sei die letzte Provinz und deshalb einfach nur verschlafen.
Vergleicht man unsern Fasching mit der rheinischen Fasenacht,
von Weiberfasching bis zu „Mainz, wie es singt und lacht“,
den Kölner Rosenmontagszug mit Prunkwagen und Kamellen
(die kann man im Internet unter dem Titel „Wurfmaterial“ bestellen),
die freude- und sonstwie trunkenen Jecken mit ihren Pappnasen
und die halbnackten Garden aus lauter Playboyhasen,
ja, dagegen wirkt unser Gaudiwürmchen schon etwas verloren.
Der Bayreuther an sich ist da eher zum Schauen geboren,
als sich ekstatisch hineinzustürzen in brausende Wogen
und herumzuspringen, als stünde er unter Drogen.
Die Gardemädchen üben ihre Tänze brav und tüchtig
und selbst die Hexen treiben`s letztlich immer noch züchtig.
Wenigstens einmal im Jahr herrscht in der Fußgängerzone wieder Verkehr,
der Oskar ist ausgebucht samt Haxen- und Klösverzehr.
Doch lieber verschlafen als täglicher Stau auf dem mittleren Ring
oder Gasmaskenzwang und Hausarrest bei Smog in Peking.
In Stuttgart ließ trotz Feinstaubwarnung fast keiner sein „heiligs Blechle“ daheim,
die Autos und Laster wälzen sich weiter wie zäher Schleim,
solange das Fahrverbot eben nur freiwillig ist
und die EU gewährt den Rußschleudern weiter Schonfrist.
Da lebt man doch lieber in einem ruhigeren Nest
und atmet Sauerstoff statt Benzol und Asbest,
trinkt´s Bier für zwei fünfzig statt in München für fünf
und kriegt fürs gleiche Geld echt Bayreuther Brotwerscht mit Senf.
Darum: ein wenig verschlafen ist oft gar nicht so schlecht,
da kommen Körper und Seele zu ihrem Recht.

Im Stadtrat freilich und am nächsten Tag im Kurier
geht man aufeinander los wie aufs rote Tuch der Stier.
Bei jeder Idee, bei jedem Projekt
wird das Bajonett aufgesteckt.
Und ist man am Ende mit seinen Argumenten,
kann man immer noch die Drohung anwenden:
Wenn wir wieder einmal den Anschluss verschlafen,
dann wird uns wie den Honecker die Geschichte bestrafen.
Als mahnendes Beispiel für solchen nicht gut zu machenden Schaden
dient dann die Eisenbahn, dieser  manchmal so nervige Laden.
Anschluss wieder mal verpasst,
heißt es nicht nur, wenn du in wilder Hast
in Nürnberg den ICE nach München  nicht mehr kriegst,
weil du in Rupprechtstegen minutenlang vor Anker liegst.
Satelliten, Marssonde, Mondlandfähre, das alles gelingt.
Warum man dann die Neigezugtechnik nicht zum Laufen bringt?
Aber nicht nur dieser Anschluss ist gemeint.
Wem man heute immer noch bittere Tränen nachweint:
dass unsere Stadt vom Fernbahnnetz wurde abgeschnitten,
was hat die Alten wohl damals geritten?
Das Trauma steckt noch heute in den Köpfen,
deswegen packt man einander bei den Schöpfen:
Aufgewacht, ihr Schläfer, wir dürfen den Anschluss nicht verpassen,
sonst werden uns die Ururenkel einst noch hassen,
wenn sie die Stadt nicht schon längst haben verlassen.
Ja, liebe Leute, das ist nicht so leicht zu entscheiden
wer die Wahl hat, muss auch Qualen leiden.
Muss man bei Graserschule, Stadtarchiv und Stadthalle,
Kongresszentrum, Möbelgigant oder einem andern Falle
den Zug nun bremsen oder gar noch stoppen;
um die künft´ge Schuldenlast nicht noch zu toppen,
oder werden die Zögerer und Bedenkenträger
einst Opfer nachfolgender Ankläger:
ihr habt die Chance damals schlicht verpennt,
so dass man euch zurecht nur Schläfer nennt.
Von der Kanzel gebe ich keine Ratschläge zum Stadthallenbau,
sonst macht man mich hinterher noch – herunter.

Doch nun geht es in der Heiligen Schrift
nicht um unsere Streitigkeiten, die oft mit Gift
und Galle ausgetragen, um große Bayreuther Zukunftsprojekte,
um die Planungen von Stadtbauamt und Stararchitekten,
nicht um kühne Visionäre und Zukunftsoptimisten,
deren Pläne landen oft in Abfall- oder Archivalienkisten,
nicht um ängstliche Bremser oder vorsichtige Realisten,
die erst einmal alle Risiken, Gefahren und Nebenwirkungen auflisten.
Paulus schreibt nach Ephesus seinen lieben Christen,
die, meint er,  wie Schläfer ihr Dasein fristen:
Wacht auf, denn die Nacht ist längst vorbei,
auch wenn euch geweckt hat kein Hahnenschrei
oder wenn trotz großer Haufen von Mist
weit und breit kein Gockel mehr vorhanden ist.
Es herrscht Licht und nicht mehr finstre Nacht,
darum ihr Christen aufgewacht!

Das Sprichwort weiß, dass im Dunkeln
ist – mit einem alten Wort – gut munkeln,
geheim und hinter vorgehalt´ner Hand
verbreiten manche Spott und Schand.
Was früher aber über Gartenzaun und hinter dichten Hecken,
am Stammtisch, beim Frisör, ja in den dunkelsten der Ecken
getuschelt, getratscht, mit Dreck geworfen wurde,
das steigert sich heut bei Facebook ins Absurde.
Ganz anonym, unter irgendwelchen falschen Namen
verbreitet man der üblen Nachrede unheilvollen Samen.
Alles Schlechte kann man da behaupten, muss nichts beweisen,
kann, ohne sein Gesicht zu zeigen, andere beschmeißen
mit Dingen, die das Wort „shitstorm“ enthält,
auf deutsch ein Wort, das der Prediger nicht gerne wählt
Der feige Angreifer zeigt weder Namen noch Gesicht,
die Wahrheit rauszufinden, darum geht es nicht.
Muss ich Beispiele aufführen dieser Tage,
da die Diakonie kämpfte gegen Geldesmangelplage?
Weil am Kirchplatz 5 an der Pforte hinter Glas;
einst ein Mitarbeiter mit Behinderung saß;
jetzt aber in der Werkstatt fand einen andern, bessern Platz;
geht sie schon los, die Facebook-Hatz:
Die Behinderten werden von der Diakonie versteckt.
Im Fasching wird ja auch deftig derbleckt,
nicht nur mit Samthandschuhen angefasst,
sondern mancher Tritt gegen das Schienbein verpasst.
Doch selbst hinter der Maske weißt du, wer da zuschlägt
und die Verantwortung für seine Sticheleien trägt.
Ans Licht, ihr Leute, tretet ans Licht
und scheut das helle Tageslicht nicht.
Sagt eure Kritik den Menschen ins Gesicht,
gebt ihnen die Chance, zu erklären und richtigzustellen
und schöpft nicht aus dunklen, schlammigen Quellen.
Man redet auch anders, wenn man einander in die Augen schaut,
als wenn man sich nur aus dem Hinterhalt zu ballern traut.

Aufgewacht heißt: Augen auf!
Das beginnt schon in des Tages Lauf,
dass man sich erst einmal die Augen reibt
und die Spuren des Schlafs aus den Winkeln vertreibt,
dass man die Zahnpaste nicht mit dem Rasierschaum vertauscht
und das Kaffeewasser nicht ohne Pulver durch den Filter rauscht.
Auch zum Zeitungslesen am Frühstückstische,
hilft es, dass ich mir über die Augen wische.
Manchmal muss man sie sich gleich noch einmal reiben
über das, was die Zeitungsschreiber da schreiben.
War ich im gleichen Konzert wie der Gordian Beck?
Aber Leserbrief schreiben hat eh keinen Zweck.
Doch, liebe Leut, das mit dem Augenreiben, das geht den ganzen Tag so weiter.
Der Benzinpreis klettert rauf und runter wie der Frosch auf seiner Leiter.
Die Tochter kommt vom Frisör zurück mit grünen Haaren
und im Vorabendprogramm sieht man schon, wie sich die Paare paaren.
Die Augen reiben, das find ich nicht einmal so schlecht.
Man sieht genauer hin und fragt sich: seh ich recht?
statt wegzuschauen oder die Augen zu verschließen,
um sich nicht die Laune oder sein Vorurteil zu vermiesen.
Schau noch mal hin, gönn dir den zweiten Blick
und schrecke nicht beim ersten gleich zurück.
Beim zweiten Blick erscheint`s vielleicht in einem andern Licht,
und du erkennst: so blöd ist dieser oder dieses nicht.
So wie beim Frühstück mit dem Lesen meiner Zeitung:
Ich steh erst ziemlich lange auf der Leitung
bis ich mir die Augen reibe und klar sehe
und mit der Zeit vielleicht sogar verstehe.

„Augen auf im Straßenverkehr“ stand einst auf den großen Plakatwänden,
wo heute Gruselbilder die Raserei sollen beenden
Nicht dass die vier jungen Frauen im Auto gruslig aussähen,
gar nicht! Aber dass sie demnächst der Sensenmann wird abmähen,
nur weil eine sich ablenken lässt, und zwar die am Steuer,
schockt und soll schocken. Und die Strafen werden teuer,
weil die Raser und Drängler anders nicht zur Vernunft kommen wollen
in ihren rasenden Schlitten, den tollen.
Früher hieß es nur „Augen auf im Verkehr“
und müssen die Kinder über die Straße quer,
dann lernen sie schon im Kindergarten,
erst einmal an der Bordsteinkante warten,
dann links und rechts schauen, und nochmal zur Linken.
Am Zebrastreifen den Autofahrer anschauen und winken.
Nicht nur im Straßenverkehr wär das ein gutes Motto,
so wie der Kabarettist aus Franken - nicht der Otto
Waalkes, über den nicht nur Ostfriesland gelacht -
der Erwin Pelzig zu seinem Markenzeichen gemacht:
„Aufgemerkt“, die Augen auf und hingeschaut.
Die Nacht ist vorbei, der Morgen hat längst gegraut,
das Licht ist da, damit der, dem das Augenlicht noch gegeben,
aufmerksam, mit offenen Augen geht durch das Leben.
Freilich musst du dir viel anschaun
wovor einem nur kanns graun
Ich mein jetzt nicht „Mainz, wie es sing und lacht“ und anders Karnevalsgelaber
da kann man umschalten – aber
wegschaun sollte man woanders auf keinen Fall
wenn mit Feuer oder gar einer Handgranate Knall
ein Flüchtlingsheim nach dem andern wird  angezündet
oder die Pegida das Ende des Rechtsstaats verkündet.
In der Bibel, im Psalm, in den bitteren Klagen,
wo ein Mensch lange keine Antwort bekommt auf seine Fragen,
heißt`s immer wieder: Gott, schau nicht weg,
sonst kommen wir um hier unten im Dreck,
schau doch her, sieh an Not und Elende,
dann weiß ich, dass es sich einmal wende,
denn wenn du nur herschaust
und siehst, was mich graust,
dann wirst du mir helfen in meiner Not,
denn du liebst das Leben und nicht den Tod.
So, liebe Leute, solln auch wir unsre Augen benutzen,
nicht wegschaun, sondern notfalls die Brille putzen,
„Achtsamkeit“ heißt das in spirituellen Kreisen,
das man nicht nur das Laute hört, sondern auch die leisen
Töne. So freundlich achtsam geht es freilich nicht immer.
Ich weiß das, mit Geduld und Nachsicht wird es oft nur schlimmer.
Manchmal muss auf einen groben Klotz ein grober Keil drauf:
Jetzt mach doch endlich deine Glotzer auf!  

Doch, liebe Leute, es wäre ja gelogen,
wir wären um das Beste wohl betrogen,
wenn wir das Schlechte nur vor Augen hätten,
so dass man schon vor dem Aufstehen aus den Betten,
tatsächlich, wenn, wie`s wirklich heißt, der Morgen graut,
man voller Angst und Grauen auf den Tag nur schaut.
Es gibt so Menschen, die sehn am Morgen nur den Berg.
Probleme sind der Riese, ich dagegen wie ein Zwerg.
Die Schulaufgabe, ein böser Kollege, zum Arzt muss ich auch,
all das liegt wie Wackersteine im Bauch.
Da möchte man eigentlich gar nicht aufwachen,
sondern lieber die Augen gleich wieder zumachen.
Nur der Wecker, dieses Marterinstrument, das Böse,
zwingt uns zum Aufstehn mit Gepiepse oder Getöse.
Doch diese Art von Aufstehn muss nicht sein,
denn nicht nur Schmerz und Pein
muss unser Auge, wenn wir´s auftun, leiden.
Ja, auch das gibt es: aufzustehn mit Freuden.
Kinder des Lichtes werden wir heute genannt
und die Nacht mit ihren Schatten wird einfach verbannt.
Das Licht macht die Welt bunt, voller Farben,
da müssen wir nicht freudlos vor uns hindarben.
Denn Sonne
reimt sich am besten auf Wonne
(und lieber nicht auf Regentonne).
Auch das hängt zusammen mit den Augen,
die eben nicht für Tränen nur taugen.
Mein liebstes Wort – zumindest eins davon – heißt: Augenweide.
Womit ich das Schöne ins Bild von Kühen und Schafen kleide.
Die Schöne wirft ein: Ich bin doch keine Kuh –
doch schweig und hör erst mal richtig zu.
Schon Morgen könnt ich meine Augen auf die Weide führen;
die Sonne aufgehen sehn. Aber dann müsste ich mich rühren
und nicht schlafen bis halb zehn,
sondern mit den Tieren aufstehn.
Wenn sich Silberstreif und Morgenröte zeigen
und Nebel aus den feuchten Wiesen steigen,
wenn der Tau wie tausend Diamanten blinkt
und ein Lichtstrahl schräg durch die Blätter dringt,
dann nährt sich die Seele an solchen Bildern,
die kann man nur stümperhaft mit Worten schildern.
Die Farbe Grün wirkt übrigens beim Stressabbau
sicherlich viel besser als Schwarzweiß und grau.
Doch nicht nur Wiesen, Wälder, Berge, die ganze Natur
sind Futter für die Augen, Vitamin für die Seele pur.
Nicht nur die Kunst, ja die ganze Kultur,
wie wir sie auch in unseren Markgrafenkirchen finden.
Es ist als müsste man erst lösen die Augenbinden,
dass wir Oberfranken diese Schätze erkennen;
weswegen andere zur Wieskirche oder nach Ottobeuren rennen.
Auch unsere Spitalkirche hat solche künstlerische Zier.
Das Bayreuther Land besteht nicht nur aus Würsten und aus Bier.
Die Kuh auf der Weide ist vielleicht nicht das schlauste Tier,
doch nimmt sie sich Zeit, in Ruhe alles abzugrasen
und sich nicht von Uhr oder Handy schikanieren zu lassen.
Damit sie die Nährstoffe noch besser verdaut,
wird gemächlich alles noch einmal wiedergekaut.
Die Augenweide braucht eben Muse, sie zu betrachten,
ständige Hektik lässt die Seele verschmachten.
Und manchmal zieht sogar ein Mensch die Blicke an,
dass man gar nicht mehr wegsehen kann.
Gut, wenn schon beim Aufmachen früh am Morgen,
der Kopf und das Herz wird nicht gleich zugemüllt mit Sorgen,
sondern wenn man sich auf den Tag freuen kann,
wenn man weiß: ich treff die Frau oder den Mann;
denn dazu hat uns Gott eigentlich erschaffen,
zuerst die Tiere von Wurm bis hin zu  den Affen,
nicht dass wir uns fürchten wie vor dem sprichwörtlichen Drachen,
sondern dass wir einander Freude machen.

Damit komm ich zum letzten: zum Frühlingserwachen.
Nun sind die meisten hier im Alter eher fortgeschritten
und halten sich an die Moral und andre gute Sitten.
Frühlingsgefühle überlässt man gern den Jungen,
so wie es frech im Studentenlied gesungen:
Freut euch des Lebens. Das kann man unterschreiben.
Doch: Großmutter wird mit der Sense rasiert, das sollte unterbleiben.
Auch wenn der alternde Geck, der auf jugendlich macht,
zur Recht wird mit Hohn und Spott bedacht.
Immerhin hat Brecht der „unwürdigen Greisin“ ein Denkmal gesetzt,
die sich ein Leben lang für die Familie aufopfert, aber zuletzt
auf einmal wie zu einem neuen Leben erwacht,
lauter ungewöhnliche und für sie neue Dinge macht,
die Tage genießt und sich die Freiheit nimmt,
ihr eigenes Leben zu leben und nicht mehr fremdbestimmt.
Brecht meint: eigentlich führte sie zwei Leben,
das eine als Tochter, als Ehefrau und Mutter eben;
das zweite mit Kino, Bars und vielen Freunden als Frau B.,
was andere über sie tuschelten, tat ihr nicht mehr weh.
Damit, ihr Leute, komm ich zurück zu Paulus und dem Epheserbrief.
Der Vergleich mit der unwürdigen Greisin ist vielleicht etwas schief,
nicht nur darin, dass bis zu dem neuen Leben 60 Jahre vergingen.
So lange warten, so viele Jahre muss niemand verbringen.
Immerhin tröstet der Dichter: Zum Aufwachen ist es niemals zu spät,
auch wenn`s wie bei Frau B. nur noch zwei Jahre bringen tät.

Natürlich möchte ich niemanden zu einem Lasterleben wecken,
wonach sich manche heimlich nur die Finger schlecken.
Doch wie schreibt Paulus: wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten.
Da wird der Bertold Brecht noch kräftig überboten.
Nicht nur vom Schlaf steh auf, reib dir die Augen,
kämm dir dein Haar und wasche dich mit Seifenlaugen,
nicht nur: bleib wach und aufmerksam am Tage
und schau nicht weg von deines Nächsten Leid und Plage
Leb aufmerksam und gönn dem Auge Weiden,
damit sie nicht nur Tristesse erleiden.
Nein, steh auf schon jetzt zur Auferstehung von den Toten.
Denn daran erinnern uns sehr bald die Frühlingsboten;
dass Ostern kommt und ein ganz anderes Erwachen,
nicht nur Gefühle, Triebe oder sonst so Sachen.
Erweckte, aufgeweckte Christen, Kinder des Lichts sollen wir sein.
Die Liebe freilich ist dafür der Sonnenschein.
Amen


Tagesgebet:
Gott, du bist die Liebe.
In Jesus Christus bist du in unsere Welt gekommen,
verletzlich wie ein Kind, machtvoll in Zeichen und Wundern.
Am Kreuz sah es so aus, als ob Hass und Unrecht gesiegt hätten,
aber in der Auferstehung hat sich das Leben durchgesetzt.
Wir bitten dich, öffne uns die Augen für deine Liebe,
dass wir sie erkennen in Jesus Christus und in unserem eigenen Leben,
und dass wir selbst Liebe geben können.
Das bitten wir dich, allmächtiger und barmherziger Vater, der du lebst und Leben schenkst mit dem Sohn und dem heiligen Geist in Ewigkeit. Amen



Autor: Dekan Hans Peetz