Wie der Schöpfer für uns sorgt

1. Mose 2, 4-9,15


Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

 

Liebe Gemeinde,

 „alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ Mit dem Wochenspruch und dem Thema dieses Sonntages im Ohr lese ich die altbekannte und sehr vertraute Geschichte von der Erschaffung des ersten Menschen Adam mit ganz anderen Augen. Dann geht es also von Anfang an darum, wie Gott für uns Menschen sorgt. Und wohl auch darum wie sich darin Aktiv und Passiv, also unser eigenes Sorgen, wie wir für uns und andere sorgen sollen, und das Sorgen Gottes, seine Fürsorge zueinander verhalten. Denn so kann das ja nicht gemeint sein, dieses: Gott sorgt für euch, dass wir uns wie der Kaiser von China umsorgen, bedienen und auf Händen bzw. in der Sänfte herumtragen lassen.

 

Das Leben beginnt mit dem Atmen. Adam beginnt zu leben, als Gott ihn dem Atem einhaucht. Vielleicht nur ein Hauch, vielleicht ein kräftiges Blasen oder vielleicht so ähnlich, wie wenn wir jemand wiederbeleben wollen durch Mund-zu-Mund-Beatmung, damit das Leben zurückkehrt in einen fast schon toten Körper und der Verletzte wieder selbst zu atmen beginnt. So dumm ist diese Vorstellung also gar nicht, dass ein aus Erde geformter Körper durch Gottes Atem zu leben beginnt. Schließlich kann man das ja beobachten, wie der Körber einen Menschen nach dem Tod zu Erde zerfällt. Und in Filmen über alte Zeiten kann man sehen, wie festgestellt wurde, ob jemand, der sich nicht mehr bewegt, noch lebt: man hielt eine leichte Daunenfeder vor die Nase. Ein ganz unmerklicher Atemzug versetzt die feinen Federhaare in Bewegung.

 

Gott sorgt für uns, indem er uns atmen lässt. Dazu gehört die Luft als das allernotwendigste zum Leben. Gerade einmal drei Minuten halten wir es aus ohne sie, während wir aufs Trinken mehrere Tage und aufs Essen sogar mehrere Wochen  verzichten können. Und die Luft ist zum Glück kostenlos. Sie ist frei. Am Atmen und an der Luft kann man aber noch mehr sehen, wie Gott für uns sorgt. Die Luft ist kostenlos, aber atmen müssen wir schon selbst. Allerdings tun wir das meistens völlig unbewusst. Wir merken gar nicht, wie wir das Allerwichtigste und Lebensnotwendigste aufnehmen, den Sauerstoff. Das geht automatisch, unbemerkt, völlig selbständig – wie so vieles, was wir ganz selbstverständlich gebrauchen. Nur manchmal merken wir es, und zwar meistens, wenn es auf einmal fehlt oder nicht mehr richtig funktioniert.

 

Manchmal wird die Luft dünn. Einer unserer Söhne war vor Kurzem auf dem Kilimandscharo, dem höchten Berg Afrikas in Tansania, der ja auch unsere MNT-Logo schmückt; fast 6000 Meter hoch. Da oben wird die Luft dünn. Unser Sohn, ein sehr sportlicher Typ, erzählte, wie die ihm schwindlig zu werden drohte, wenn er nicht ganz tief und bewusst atmete. Tief ein- und ausatmen hilft auch wenn einem etwas anderes die Luft abschnürt. Die Angst kann einem die Kehle zuschnüren und auf den Brustkorb drücken. Oder die Sorgen, so dass man meint, keine Luft mehr zu bekommen; vielleicht Geldsorgen; oder die Sorge, ob ich das alles schaffe, was vor mir liegt; die Angst und die Sorge um einen Menschen, einen Kranken oder Verunglückten. Wie ist das da: Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch. Meistens kommt es da nicht zu einem plötzlichen Aufatmen, wie wenn uns Gott einmal anhauchte oder mit einem kräftigen Windstoß alles wegblasen würde – Ängste und Sorgen wie weggeblasen. Auch das kommt Gott sei Dank vor. Sie kennen dieses Aufatmen als Ausdruck der Entspannung, so richtig den Druck ablassen. Oft aber ist es eher wie auf dem Kilimandscharo. Da muss man ganz bewusst tief atmen, Zug um Zug. Und ankämpfen. Zum Glück geht das mit der Sauerstoffversorgung meist ganz problemlos und unbemerkt, so eben wie Gott für uns sorgt. Aber man kann es sich zwischendurch Mal bewusst machen, wenn man bewusst ein- und ausatmet.

 

Der zweite Akt der Versorgung für den frisch gebackenen Menschen besteht darin, dass Gott einen Garten pflanzte und den Menschen hinein setzte. Dieser Garten hatte eine doppelte Funktion. Es heißt: die Bäume (und sicher auch die anderen Pflanzen) waren verlockend anzusehen und gut zu essen (gemeint sind wohl die Früchte). Also nicht nur für Nahrung sorgt Gott. Vor dem Sündenfall waren Adam und Eva Vegetarier, ernährten sich von Obst und Gemüse. Zur Versorgung des Menschen mit Lebensnotwenigen gehört auch das Schöne, was das Auge erfreut, oder eben, wie es hier heißt, was verlockend anzusehen ist und was wir mit dem schönen Wort als „Augenweide“ beschreiben; wo die Augen also wie die Schafe, Kühe oder Pferde weiden, sich weiden können wie an saftigem, wohlschmeckendem Gras. Das Bild vom Garten und der Weide strahlt aber auch Ruhe aus, Hektik hat da keinen Platz. Und nicht nur die Augen können sich weiden, die Ohren können ihren Schmaus haben und die Nase betörende Düfte, die Fingerspitzen und andere Tastsinne fühlen und erzeugen Gefühle.

 

Auch das kann ja helfen gegen all die Sorgen, die einen wie mit Scheuklappen durch die Gegend rennen lassen oder einen immer nur auf einen Punkt stieren lassen: sich in einen Garten, in einen Park setzen oder draußen in die Natur. Jesus empfiehlt, die Vögel zu beobachten, die nicht säen und ernten, und doch von unserem himmlischen Vater ernährt werden; diese Leichtigkeit, die wir uns wohl manchmal wünschten; oder eben die Bäume, die jetzt voll hängen; und wenn es eben weniger Zwetschgen gibt, dann heuer umso mehr Äpfel. Dieser Überfluss an Farben. Und Luther empfiehlt die Musik als beste Arznei gegen die Sorgen.

 

Später kommen noch zwei weitere Mittel dazu, wie Gott für seinen Menschen sorgt: Die nächste möchte man vielleicht gar nicht dazu zählen, wenn Gott verbietet, von dem einen Baum zu essen. Er heißt der Baum er Erkenntnis des Guten und Bösen. Später ist ein Apfelbaum daraus geworden, von dem zu essen die Schlange verführte. Im Lateinischen heißt das Wort für Apfel auch „das Böse“. Die Schlange flüstert den Menschen ein, Gott wolle ihn das Baste und Größte vorenthalten. Aber wenn Gott eine Grenze setzt, dann sorgt er auch darin für seine Menschen. Denn viele Sorgen würden sich erledigen, wenn wir unsere Grenzen beachten würden. Zum Beispiel die stände Sorge, etwas zu versäumen, die einen sogar den Urlaub vermiesen und zum Stress werden lassen kann, weil man unbedingt dieses Museum und diese Kirche oder Denkmal noch gesehen haben muss oder unbedingt diese Party mitgemacht haben muss. Die Einsicht, dass wir begrenzt sind und eben nicht alles sehen oder erleben können, kann ja auch sehr entlastend wird. Von dem Baum musst du nicht auch noch gegessen haben.

 

Oder das, was die Juristen Zuständigkeit nennen oder der Volksmund ganz einfach: Was geht es dich an? Auch wenn ich helfen will und mich nicht egoistisch zurückziehe und nur auf meinem eigenen Vorteil schaue, es gibt Grenzen. Ich muss und kann mich nicht um alles kümmern. Oder mir auch einmal sagen: Das fällt nicht in meine Zuständigkeit. Gerade in der Sorge um einen anderen Menschen ist es wichtig, diese Grenze zu sehen: bis wohin kann ich helfen und sorgen und wo ist der andere selbst verantwortlich, wo muss er selbst für sich sorgen, quasi selbst zu atmen beginnen, selbst laufen lernen. Und wenn die Fürsorge zu weit geht, wenn jemand ständig bemuttert wird (was wohl auch Väter können, auch wenn es kein Wort dafür gibt); dann wird jemand nie selbständig, oder wehrt sich auf einmal und schlägt um sich, um sich von all dieser Fürsorge zu befreien.

Seine Grenzen zu beachten, kann einen von allzu vieler und großer Sorge befreien. Ich will nur noch die menschliche Grenze nennen, dass nur Gott vollkommen ist und wir es eben nicht sind. Zu meinen, jemand könnte perfekt sein, gleich der Anmaßung, wie Gott sein zu wollen. Die Absage an den Perfektionismus könnte manchen Menschen vor einiger Sorgenlast befreien.

 

Aber die Bibel erzählt zu Beginn noch von einer vierten Art, wie Gott für uns sorgt. Ich finde diesen Punkt besonders charmant, auch wie er erzählt wird. Denn Gott stellt fest, dass sein Mensch ziemlich allein ist. Und das findet er nicht gut. Wir lesen diese Worte gerne bei Trauungen vor und denken natürlich gleich an Eva, die Frau: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ich ein gegenüber machen, das zu ihm passt.“ Aber dann erschafft Gott eben nicht die Frau, sondern die Tiere. Die also sollen Adam über sein Alleinsein hinweg helfen. Und da lässt Gott es nicht an Phantasie fehlen: Tiere auf dem Feld von der Maus bis zum Hirschen, die Vögel am Himmel vom Zaunkönig bis zum Steinadler. Und wir kennen heute natürlich noch viel mehr davon. Doch trotz aller Buntheit und allen Artenreichtums, obwohl Gott jede Art zu dem Menschen bringt und ihm einen Namen geben lässt, also eine Beziehung aufnehmen, ein echtes Gegenüber, das zu ihm passt, ist nicht gefunden. Erst als die Frau aus seiner Rippe erschaffen wird, was ja nichts anderes heißt, als dass sie vom gleichen Fleisch und Blut ist, ist Adam zufrieden und glücklich und jubelt: Das ist doch endlich Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch.

 

Gott sorgt für den Menschen auch durch die Tiere, dass er nicht allein ist. Wir wissen, wie Tiere Freunde und Helfer sein können, auch und gerade bei Sorgen; vom Pferd, für das besonders junge Mädchen schwärmen, dem sie auch schon mal ihren Liebeskummer erzählen oder auf dessen Rücken sie sich frei fühlen, wenn die Haare im Wind wehen, bis hin zum Hund, der für manche der treueste Begleiter ist, und der genau zu verstehen scheint, was Herrchen oder Frauchen drückt, wenn er sie mit treuherzigen Augen anschaut oder mit einem Bellen hinaus zieht zum Spaziergehen und Luftholen. Auch Katze oder Meerschweinchen, Kanarienvogel und Papagei können solche Gefährten werden. So wie man sich an den Tieren in der freien Wildbahn einfach freuen kann.

 

Und doch bleibt das Tier stumm. Auch wenn mancher, der von Menschen enttäuscht wurde, meint, er habe solche Treue nirgendwo gefunden wie bei seinem Hund, Adam findet erst in dem anderen Menschen Erfüllung. Und das gilt nicht nur für das Verhältnis von Mann und Frau, nicht nur für die Beziehung der Geschlechter. Gott sorgt für uns, indem er uns Menschen zur Seite stellt oder über den Weg schickt. Gerade dann, wenn uns Sorgen drücken. Die einen sind einfach da in dieser Beständigkeit, meistens die, mit denen man zusammen lebt: Ehepartner, Eltern oder Kinder, Nachbarn, die einen vielleicht sogar fragen, was einen drückt, weil sie es einem ansehen oder spüren; weil sie einen so gut kennen, so dass man ihnen nichts vormachen muss oder kann.

Andere laufen einem sozusagen über den Weg, so dass man hinterher sagen kann: dich hat der Himmel geschickt.

Und manchmal muss man sich selbst auf den Weg machen, solche Menschen aufzusuchen, von denen man weiß oder ahnt, sie können sorgen oder Sorgen abnehmen. Manche davon tragen den Titel Seelsorger. Nicht immer kann man darauf warten, dass jemand kommt und sieht wie es mir geht oder gar von meinen Augen oder der Nasenspitze ablesen kann, was ich brauche. Manchmal muss man selbst für sich sorgen, damit man wieder Luft bekommt und frei atmen kann.

 

Als ich begann, diese altbekannte und so vertraute Geschichte von Adam und Eva mit dieser Brille zu lesen: Alle Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch, da fing sie ganz neu an zu sprechen und wollte gar nicht mehr aufhören zu erzählen, wie Gott für uns sorgt, vom ersten Atemzug an und manchem schweren Schnaufer und erleichtertem Aufatmen bis zu den Grenzen, die er uns setzt, damit wir nicht aufgehen in Sorgen oder untergehen unter all den Lasten, von den Gärten mit ihren Früchten, die verlockend anzusehen sind und mit denen wir uns ernähren bis hin zu den Tieren und den anderen Menschen, damit wir nicht allein sind mit unseren Sorgen und mit unserem Glück. Aber in allem ist er es, der sorgt, meistens unbemerkt. Amen



Autor: Dekan Hans Peetz