Der Rubin umsäumt mit zwei Brillanten

Epheser 5,8b-14


(8b) Lebt als Kinder des Lichts; (9) die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

 

(10) Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, (11) und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf.

 

(12) Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich.

 

(13) Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht aufgedeckt wird; (14) denn alles, was offenbar wird, das ist Licht.

 

Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.

 

 

Liebe Gemeinde,

 

I. Leuchtblumen und Kinder des Lichts

 

Sie leuchten in der Dunkelheit. Auf der Landesgartenschau unweit des kirchlich-religiösen Weges „Melodie des Lebens“ finden sich am Ufer des Roten Mains Leuchtblumen. Es sind sogenannte Sonnenfänger aus Acrylglas, die unsichtbares UV-Licht tagsüber sammeln und in der Abenddämmerung als sichtbares farbiges Licht abgeben. Wenn man von der Station Intrade hinüber zur Brücke schaut sieht das wunderbar aus.

 

Ganz ähnlich stellte sich das der Apostel mit Blick auf die Gemeinde in Ephesus vor. Die Getauften sollen Kinder des Lichtes sein. Sie sollen leuchten wie der Mond in einer Sommernacht. Sie sollen das Herz derer erfreuen, die im Dunkeln gehen. Wie ein Wanderer im Felsenlabyrinth bei Wunsiedel im Schatten gewaltiger Steinbrocken plötzlich das Leuchtmoos sieht und sich daran erfreut, so soll die Gemeinde in der Welt Freude und Wohlgefallen verbreiten.

 

Wie bei den Sonnenfängern, beim Mond oder beim Leuchtmoos haben auch wir Getaufte das Licht nicht von uns selbst. Die christliche Gemeinde damals zu Ephesus wie heute zu Bayreuth weiß, dass sie nicht selbst das Licht ist, sondern lediglich eine Reflexion der himmlischen Leuchtkraft, die von Golgatha und Ostern seinen Ausgang nahm.

 

II. Prüfen

 

Anders als bei den Gartenilluminationen geht es bei den Kindern des Lichtes allerdings nicht nur um eine nette Dekoration. Es geht um den Rubin des Reich Gottes: die Gerechtigkeit. Paulus hatte im Römerbrief die göttliche Gerechtigkeit im Sinn, die dem Sünder zum Heil verhelfen soll. Der Kontrast zu den Werken der Finsternis (V. 10) im Epheserbrief lässt aber erkenne, dass es sich hier um die Gerechtigkeit unter den Menschen handelt. Es geht um die Frucht des Lichts.

Bringt Gerechtigkeit hervor! Das ist die Anforderung unseres Abschnitts. - Wenn das so einfach wäre.

 

Kinder und noch viele Erwachsene kennen nur eine Form der Gerechtigkeit. Wir kennen sie aus einer tief sitzenden Erfahrung, wenn wir mit mehreren Geschwistern in einer Familie aufgewachsen sind. Wenn die Eltern, dem einen Kind mehr Taschengeld geben als dem anderen, weil es älter ist, empfindet das jüngere Geschwisterkind dies häufig als ungerecht. Alle sollten doch gleich behandelt werden. Das jüngere Kind fordert die Gerechtigkeit als Gleichbehandlung ein: Keiner darf mehr bekommen als der andere. Ein Verstoß gegen diese Form der Gerechtigkeit gefährdet aus der Sicht der jungen Kinder den familiären Frieden.

 

Hingegen sehen die Eltern, dass ein älteres Kind durch seine vermehrten sozialen Kontakte im Freundeskreis oder in der Berufsausbildung einen höheren Geldbedarf hat als ein Kind im Kindergarten. Sie reden daher von einer Bedarfsgerechtigkeit. Der Rubin Gerechtigkeit hat viele Facetten. Der Theologe Christoph Stückelberger unterscheidet 14 Arten von Gerechtigkeit. Hinzu kommt noch die Brillant-Fassung des Rubins, wie sie der Predigttext mit Güte und Wahrheit benennt. Ein geschliffener Rubin allein ist schön. Er leuchtet und reflektiert aber das Licht ganz bezaubernd, wenn er in kleine „weiße“ Edelsteine gefasst ist. Was tragen die 3 Steine für den Alltag aus?

 

III. Ans Licht zerren

 

Ein global produzierendes Unternehmen in Bayreuth ist dabei 950 Arbeitsplätze abzubauen.[i] Der Konzern gibt als Grund an, dass er in Westeuropa von seinen Zigarettenprodukten 17% weniger verkauft hat als 2011. Um die Überkapazitäten abzubauen, verlagert das Unternehmen die Produktion von Fertigzigaretten und ausgewählten Halbfabrikaten bis Ende 2017 an die Fabriken in Polen, Ungarn, Rumänien und Kroatien. Ohne dass das Unternehmen das in seiner Pressemitteilung letzte Woche erwähnt, könnte es auch von Bedarfsgerechtigkeit und einer grenzüberschreitenden Gerechtigkeit reden. Bei Absatzeinbruch können nicht dort Arbeitsplätze eingespart werden, wo der Absatz stabil ist.

 

Die Art und Weise der Personalentscheidung scheint aber eine Frage der Güte zu sein. Denn der Betriebsseelsorger Eckhard Schneider spricht von Tränen bei der Mitarbeiterversammlung.[ii]

Vertreter des Betriebsrates beklagen, dass sie bei der Entscheidung von „Anfang an keine Chance“[iii] hatten. Offenbar fehlte hier eine angemessene Teilhabegerechtigkeit an den Entscheidungen. Der Konzern bemüht sich nun um eine Verfahrensgerechtigkeit beim Abbau der Arbeitsplätze. Auch an Helfern aus der Politik scheint es momentan nicht zu fehlen.

 

Die Presse verdächtigt das Unternehmen eines „kalten Kapitalismus“[iv], dem es um Gewinnmaximierung durch niedrige Produktionskosten ginge. Unser Predigttext benennt verschleierte Wahrheit als das, was heimlich getan wird. (V. 12)

Die Mitarbeitenden des Unternehmens, die in den kommenden Monaten ihren Arbeitsplatz verlieren werden, haben unser Mitgefühl. Sie sind mit ihren Familien die Leidtragenden der Entscheidung. Da kommt die Frage einer angemessenen Verteilung der Lasten auf (Verteilungsgerechtigkeit). Mitgefühl empfindet auch unsere Presse richtig. Es fehlt ihr aber die Güte, auch die Position der Unternehmer zu verstehen, die auf Marktentwicklungen reagieren müssen. So wie Unternehmer in manchem Kommentar ans Licht gezerrt werden, entspricht das kaum dem, was der Epheserbrief damit meint, unfruchtbare Werke aufzudecken.

 

IV. Aufdecken in Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit

 

Der Edelstein Gerechtigkeit erscheint in diesem wirtschaftlichen Ereignis in Bayreuth wie ein ungeschliffener Rohkristall. Jeder der Beteiligten beansprucht einen Teil der Gerechtigkeit für sich. Kaum einer sieht das Ganze. Denn wir müssen schon auch fragen dürfen, was da bisher in Bayreuth produziert wurde. Nicht nur die Weltgesundheitsorganisation, sondern das Unternehmen selbst gesteht gewisse Risiken insbesondere für Passivraucher ein. Dazu sei aus der Homepage des Unternehmens zitiert: „Der Genuss von Zigaretten ist mit ernst zu nehmenden gesundheitlichen Risiken verbunden und kann süchtig machen.“[v] Auch für eine Stadt und ein Land gilt es eine gesundheitsbezogene Gerechtigkeit ins Auge zu fassen. Stadt und Land müssen sich daher gut überlegen, welches Unternehmen man sich statt der Zigarettenfabrik vor Ort holt. Arbeitsplätze um jeden Preis zu schaffen, kann nicht die Alternative sein. Der allgemeine Deal, dass man Suchtmittel wohl wissend um ihre Gefährlichkeit doch irgendwie zulässt, zeigt die Fragwürdigkeit dieses wie manch anderer Produktionszweige. Auch die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind gut beraten, für den nächsten Arbeitsplatz genau hinzuschauen, wem man seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt.

 

V. Leben als Kinder des Lichts

 

Der Predigttext macht Mut, die Werke der Finsternis aufzudecken (V. 10) aber auch hier in Güte und Wahrheit. Wichtig ist dem Apostel dabei, dass die Heimlichtuer nicht ans Licht gezerrt und vorgeführt werden. Denn der Apostel weiß von der dunklen Vergangenheit seiner Gemeindeglieder. Kurz vor dem Predigttext heißt es: „Denn ihr ward früher Finsternis“. Es besteht also kein Grund, dass sich einer über den anderen erhebt. Als evangelische Gemeinde wissen wir, dass wir in Gott ganz gerechtfertigt sind, aber aus Angst, zu kurz zu kommen, oftmals ungerecht handeln. Die Reformatoren reden vom „simul iustus ac peccator.“ Wir finden uns immer wieder als Sünderinnen und Sünder und doch in Christus vor Gott gerecht gemacht. Er lässt uns weiter leben. Das ist seine Gerechtigkeit, die wir mit dem Begriff der Liebe zum sündigen Menschen zu erfassen suchen. Mit dieser unterschiedlichen Vorfindlichkeit besteht also auch für uns kein Grund, dass sich einer über den anderen erhebt. Dennoch sind wir durch den Epheserbrief angehalten, die unfruchtbaren Werke der Finsternis aufzudecken. Die Unterscheidung zwischen Tat und Täter ist hier hilfreich. So ergeht an alle der Ruf des Apostels: Lebt, wie es eurer Berufung als Christenmenschen entspricht! In der Dunkelheit der Welt sollt ihr leuchten wie der Mond, der von der Sonne beschienen ist, wie das Leuchtmoos im Schatten gewaltiger Felsen. Lebt nicht als Deco! Versucht vielmehr die Facetten der Gerechtigkeit als Ganzes zu fassen und im Klima von Güte und Wahrheit zum Leuchten zu bringen. Das ist eine große Herausforderung. Lebt als Kinder des Lichts, als Kinder Jesu Christi!


[i] Zum Folgenden vergleiche: http://www.bat.de/group/sites/BAT_7TYF37.nsf/vwPagesWebLive/DOABUEQT?opendocument, Stand 16.07.2016.

[ii] Nordbayerischer Kurier, Nr. 162 – 49. Jhg., 15.07.2016, 1

[iii] Ebd.

[iv] Schmälzle, Frank, Kalter Kapitalismus, a.a.O., 1

[v] http://www.bat.de/group/sites/BAT_7TYF37.nsf/vwPagesWebLive/DO7VHB3H?opendocument, Stand 16.07.2016.



Autor: Pfarrer Martin Kleineidam