König und Heiland

Predigt über Jeremia 23, 5+6


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde,

seit vorgestern ist nun auch bei uns der Christkindlesmarkt eröffnet,  in Augsburg war das schon Anfang der Woche. Unser Winterdorf ist bereits seit einigen Wochen aufgebaut und erfreut sich großer Beliebtheit – auch bei meiner Familie. Man kann gemeinsam essen und trinken, in Gemeinschaft der kalten und düsteren Jahreszeit trotzen  (Unsere Kinder mögen besonders die Crepes.)  Auf den Christkindles- und Weihnachtsmärkten erstehen wir Geschenke für unsere Lieben und genießen die adventliche Stimmung. Ich finde zwar Lebkuchen im September zu früh, und mag auch die Auswüchse  des Weihnachtsrummels, wo nur der Kommerz im Mittelpunkt steht, nicht.

Aber die tiefergehende Frage ist doch: Warum sind Christkindlesmärkte und Winterdorf so beliebt? – Ich denke, im vorweihnachtlichen Treiben kommt unsere tiefe Sehnsucht nach Glück, nach Liebe, nach Heil zum Vorschein. - Die Sehnsucht nach einem Heiland, der das eigene Land groß macht, steht wohl auch hinter dem Wahlergebnis in den USA , wenngleich ich Trump nicht als „Heiland“ bezeichnen würde.

Viele Menschen weltweit haben Angst vor einer unsicheren Zukunft, vor Verlusten – der eine mehr, die andere weniger. Und auch wenn manche Angst in unserem reichen Land nicht begründet scheint, so kann man sie nicht einfach beiseite wischen. Die Weihnachtsmärkte begegnen der düsteren Stimmung mit stimmungsvollen Lichtern - in Bayreuth wird mit der längsten Lichterkette Frankens geworben -, sie bieten einen Gegenpol zu Angst und Verunsicherung – sie erinnern an Glück und Heil.

 

Nach Glück, Heil und Sicherheit sehnte sich auch das Volk Israel zur Zeit Jeremias, und zwar ganz existenziell, denn die Israeliten waren damals fern von ihrer Heimat im Exil zerstreut. Direkt vor unserem Predigttext werden die verantwortungslosen Hirten angeklagt, die das Volk ruiniert haben. Demgegenüber wird verheißen, dass Gott selbst den Rest des Volkes aus allen Ländern sammeln und zurückführen wird. Außerdem werden die schlechten durch gute Hirten ersetzt werden. Danach macht Jeremia eine Weissagung von dem kommenden Messias, dem erhofften Retter:

Siehe, es kommt die Zeit, spricht Gott, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Er regiert als König und handelt richtig und übt Recht und Gerechtigkeit im Land. Zu seiner Zeit wird Juda gerettet werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn rufen wird: „Gott, unsere Gerechtigkeit“.

 

Sechs Jahrhunderte später haben die Christen diese und viele andere prophetischen Worte in Jesus aus Nazareth erfüllt gesehen. Können wir das nachvollziehen?

Zunächst: Gott will dem David einen gerechten Spross aufrichten. – Sowohl Matthäus als auch Lukas verweisen am Anfang ihres Evangeliums darauf, dass Joseph ein Nachkomme des großen Königs David ist. Als Jesus nach Jerusalem einzieht, rufen die Menschen: „Hosianna dem Sohn Davids!“ Das berichten alle vier Evangelien. Der Engel Gabriel kündigt Maria an, dass Gott ihrem Sohn den Thron seines Vaters David geben wird. Ebenso singt Zacharias, der Vater von Johannes dem Täufer, in seinem Lobgesang davon, dass Gott eine Macht des Heils im Haus seines Dieners David aufgerichtet hat „wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner Propheten. - Wer sich nun wundert, dass Mt und Lk auch von der Jungfrauengeburt schreiben – wo doch der Vater Joseph als Nachkomme Davids entscheidend ist – der oder die hat recht. Tatsächlich haben wir hier zwei verschiedene Erklärungen, warum Jesus so besonders ist. Das liegt an den verschiedenen Kulturen, aus denen die ersten Christen kamen. Die griechischen Heidenchristen kannten die Götter mit Zeus als Göttervater. Er wohnte immer wieder Frauen bei, deren Kinder dann Halbgötter waren, wie z.B. Herkules. Die griechisch geprägten Christen konnten sich gut vorstellen, dass Gott der Vater, Maria die Mutter und Jesus daher göttlich war. Die Judenchristen dagegen hatten ihre Heilige Schrift mit den Propheten und mit dem berühmten König David – für sie zeigte der Bezug auf David wie herausragend Jesus war.

 

Er regiert als König und handelt richtig und übt Recht und Gerechtigkeit im Land. (Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird.)

Nun, Jesus war ein König – aber ein anderer als er den üblichen Erwartungen entsprach. Er war kein König mit Heer und Waffen, er hatte auch kein abgegrenztes Königreich, das er etwa durch Krieg oder andere Politik zu vergrößern versuchte. Nein, die Evangelien erzählen übereinstimmend, wie Jesus auf einem Esel nach Jerusalem einzieht, und führen den Propheten Sacharja an mit den Worten: „Sagt der Tochter Zion, (- also der Stadt Jerusalem-): Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel (…)“, eben nicht auf einem Kriegsross.

Jesus wollte alles andere als sein Reich bzw. Gottes Reich mit Waffengewalt aufzurichten. Er wusste wahrscheinlich, was Untersuchungen von US-amerikanischen Forscherinnen belegen, die sämtliche Bürgerkriege und Aufstände zwischen 1900 und  2006 analysiert haben: Friedliche, gewaltfreie Revolutionen erreichen weit erfolgreicher ihre Ziele als bewaffnete Revolutionen, außerdem werden natürlich weniger Menschenleben und Traumatisierungen beklagt. (Chenoweth, Erica; Stephan, Maria (2001) Why civil resistance works; NY Columbia Univ.press) 

 Im Johannesevangelium wird Jesus von Pilatus gefragt: „Bist du der König der Juden?“ Und er antwortet: Mein Reich ist nicht von dieser Welt“. Ja, Jesus sah das Reich als etwas, das mit ihm schon angebrochen ist und was einst in einer anderen Welt in Vollkommenheit da sein wird.

 

Recht und Gerechtigkeit – die haben dazugehört. Er versuchte, durch sein Handeln Gerechtigkeit herzustellen: Indem er Kranke heilte, sich für Ausgestoßene oder Schwache einsetzte trug er zu sozialen Gerechtigkeit bei. Nicht umsonst spricht er gleich zwei Seligpreisungen zu diesem Thema: „Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden“ (4. Seligpreisung der Bergpredigt) und: „Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich“. (8. S.)

„Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ Diese Worte Sacharjas sind der Wochenspruch. „Gott, unsere Gerechtigkeit“ wird sein Name sein – das klingt ganz ähnlich.

 

Zu seiner Zeit wird Juda gerettet werden und Israel sicher wohnen.  - Die Form vom hebräischen „jascha“ – „gerettet werden“ - kommt vom selben Wortstamm wie Joschua, was wir „Jesus“ aussprechen – übersetzt: der Retter, der Messias. Das Volk Israel, das im Südteil Juda und im Nordteil Israel gewohnt hatte, war zur Zeit Jeremias wie gesagt zerstreut.

Zur  Zeit Jesu war das Land bekanntlich von den Römern besetzt. Jesus rettete sein Volk nun aber nicht so wie manche, etwa die kampfbereiten Zeloten, hofften: indem er die römische Besatzungsmacht bekämpfte.  Jesus benutzte keine Waffen aus Stahl – und wollte das auch nicht bei seinen Jüngern (Bei seiner Gefangennahme wies ja er Petrus zurecht, der ihn mit dem Schwert verteidigen wollte) – Jesu „Waffe“ war das Wort, sein Instrument war die Liebe.

 

Letzteres hat der Maler und Pfarrer Sieger Köder in seinem Bild ausgedrückt. (Bild mit Stamm und Rose):

Wir sehen einen Spross, der aus dem Stamm wächst, so wie es in unserem Text heißt und ähnlich bei Jes 11: „Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais (das ist der Vater von David)  und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen“. Aus dem tot scheinenden Baumstumpf wächst neues Leben. – Unsere Familie hat das im Garten erlebt, wo damals vor unserem Einzug eine Weide gefällt worden war. Über ein Jahr tat sich bei dem kahlen Baumstumpf gar nichts – und ich hatte auch nichts anderes erwartet. Doch da wuchs auf einmal ein Treib hervor! Mittlerweile ist die Weide wieder ein ziemlich großer Baum.

Sieger Köder hat jedoch nicht nur einen grünen Zweig gemalt, sondern eine rote Rose – ein klares Zeichen: das Zeichen für die Liebe, das Geschenk der Liebe. Die Blüte ist noch geschlossen, sie wird sich entfalten und ihren Duft verströmen. Von oben kommt Licht – oder geht es vielmehr von der Rose aus, die das Dunkel erhellt? Das Rot reflektiert am Stamm – es ist sicher kein Zufall, dass wir an den Kreuzesstamm erinnert werden.

Für uns ist Jesus der vorhergesagte Spross Davids, er ist der Heiland, „der Heil und Leben mit sich bringt“, nicht nur Nationalismus. Jesus kam nicht nur für die Juden, sondern auch für die Heiden in die Welt. „Nun komm, der Heiden Heiland“ haben wir gesungen. Seine Liebe hat Grenzen überwunden, auch religiöse und kulturelle Grenzen.  Das sieht man etwa an seinem Gleichnis vom barmherzigen Samariter oder  bei der Szene mit der syrophönizischen Frau, also einer Heidin, deren Tochter er schließlich heilt.

 

Liebe Adventsgemeinde, für mich wie für viele Christen weltweit ist Jesus von Nazareth der messianische König, den die alttestamentlichen Propheten wie Jeremia, Sacharja und Jesaja vorhergesagt haben. Ich weiß nicht, ob Sie, ob Ihr meinen Ausführungen zustimmen konntet. -  Ich bin jedenfalls überzeugt: In ihm, auf dessen Ankunft wir uns im Advent vorbereiten, wird unsere Sehnsucht nach Glück und Heil erfüllt. Wenn wir ihm als Heiland und Retter, unsere Türen öffnen, unsere „Herzenstüren“ wie wir vorhin gesungen haben, finden wir Geborgenheit und Liebe, Sicherheit und Ruhe.

 Im Glauben an ihn können wir unseren Ängsten begegnen. Er ist unsere Hoffnung, sogar über den Tod hinaus. Das bedeutet für mich nicht, dass ich Menschen, denen es schlecht geht, nur aufs Jenseits vertröste. Natürlich kommt es auch auf Unterstützung im Diesseits an. Ich versuche vielmehr, Hoffnung auf Gottes Reich zu wecken, das hier schon beginnt. – Jesu Wiederkommen steht noch aus, das vollkommene Himmelreich erwarten wir. Doch bis dahin können wir alle dazu beitragen, dass sich Recht und Gerechtigkeit ausbreiten und dass Menschen Heil und Liebe spüren.

Vom „sicheren Wohnen“ etwa können Millionen von Flüchtlingen, von denen die allermeisten sich ja in Ländern um Kriegsgebiete wie Syrien herum aufhalten, nur träumen.   

Christen in unseren Gemeinden geben die Liebe weiter, die von Jesus, von der Rose ausströmt, zum Beispiel bei der Aktion „Suppe am Samstag“ , wo Essen ausgegeben wird an Bedürftige von hier, die manchmal auch nicht „sicher wohnen“, und an Geflüchtete, die es zu uns geschafft haben. Außerdem setzen sich Christinnen und Christen durch persönliche Begleitung, Deutsch-Unterricht und anderes für Geflüchtete ein, zusammen mit Organisationen wie „Bunt statt Braun“. Und sie tun das  nicht nur im Advent in Erinnerung an Maria und Joseph, die damals in der Davidsstadt Bethlehem eine Herberge gesucht haben.

  Ich freue mich, dass die Landessynode unserer Evang.-Luth. Kirche in Bayern fürs nächste Jahr 17 Mio € für Flüchtlingsarbeit eingeplant hat; zum einen für die Arbeit hier bei uns – u.a. für Bildungsangebote und Wohnraum -  zum anderen für Bekämpfung von Fluchtursachen vor Ort. Die Ausgaben fürs Reformationsjubiläum hat die Synode mit 2,5 Mio € deutlich niedriger angesetzt – und ich bin überzeugt, das ist ganz im Sinne Jesu, für den die Schwachen oberste Priorität hatten.

 

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Beginn der Adventszeit – ob mit oder ohne Christkindlesmarkt!

Amen.  

 

Und der Friede Gottes, er höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

 

 



Autor: Pfrin. A.-K. Kapp-Kleineidam