Weg zum Schöpfervater

Johannes 14,1-6


I. Pfade in 2017 einschlagen

 

Liebe Neujahrsgemeinde,

 

der Weg ins neue Jahr wird ein Weg ins Leben sein. Das scheint für uns Anwesende eine Selbstverständlichkeit. Wir sind in einer Kirche vor der Kälte einigermaßen geschützt. Um uns herum finden sich Menschen, die ebenfalls leben. Und jeder von uns hat seine Pläne für das neue Jahr gemacht.

 

Mancher Urlaub ist geplant. Vielleicht diesmal lieber nicht zum Äquator, wo man sich eh nur einen Sonnenbrand holt.

 

Auch beruflich ist so mancher Pfad in 2017 geschlagen. Manches Projekt wird geplant oder auf den Weg gebracht. Schülerinnen und Schüler stehen vor dem Zwischenzeugnis oder womöglich kurz vor dem Ende der Schulzeit.

 

Vielleicht stehen für Sie familiäre Veränderungen an. Ein Kind oder Enkelkind ist unterwegs und wird den Alltag umkrempeln. Oder der Wunsch nach den eigenen vier Wänden soll dieses Jahr in Erfüllung gehen.

 

Aber auch für das eigene Leben könnten Einschnitte anstehen. Vielleicht muss eine Operation, die man schon viel zu lange vor sich her geschoben hat, in Angriff genommen werden.

 

II. Scheu, Zukunft zu planen

 

Nicht nur ein Blick auf die eigene Gesundheit zeigt, dass es alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist, dass der Weg ins neue Jahr ein Weg ins Leben sein wird. Es sind auch die eigenen Pläne, die Leben verbauen.

Etliche Menschen scheuen sich, Zukunft zu verplanen, weil sie merken, wie sie sich mit Zukunftsplänen festlegen. Durch Planungen raubt man sich im Alltag Freiheit und Flexibilität, legt sich fest, geht Verbindlichkeiten und dann auch Verantwortung ein.

Zunächst verantwortet man die Planung vor sich selbst. Wirft man einen Plan über den Haufen, steht die Glaubwürdigkeit mir selbst gegenüber auf dem Spiel. Misserfolge werden daher schnell verdrängt.

Macht man seine Ziele öffentlich, steht man unter besonderem Druck. Denn jetzt schauen andere mir über die Schulter, ob ich das einhalten kann, was ich mir vorgenommen habe. Vom „Rohrkrepierer“ ist die Rede, wenn Pläne angefangen und dann fallen gelassen werden. Und als „Hochstapler und Verschwender“ will niemand dastehen. Vielleicht erklärt die Angst vor diesen Urteilen Großbauprojekte wie in Berlin, die nicht enden können.

Der Druck kann sich noch einmal erhöhen, wenn wir Gott in die Planungen einbeziehen. Als Gläubige wollen wir ja ein Leben führen, das den Maßstäben Gottes entspricht. So gut es geht wollen wir seine Schöpfung bewahren, die Gerechtigkeit achten und dem Frieden dienen. Doch die Kompromisse, die wir im Alltag immer wieder schließen müssen, zeigen, wie wenig wir in der Lage sind, klimaschonend, gerecht und friedlich zu leben.

 

III. Sub conditione Jacobi

 

Neben dem Verlust von Freiheit und der Angst vor Versagen gibt aber noch eine andere Scheu, Zukunft zu planen. Wer weiß schon, ob einen nicht eine Krankheit ereilt, die zum Tod führt. Wir usurpieren die Zukunft als etwas, was uns eigentlich nicht gehört und über das wir gar nicht verfügen können. Wir verplanen sie, als ob wir ewig leben. Schon der Jakobusbrief hat vor Selbstsicherheit gewarnt und mit Blick in die Zukunft geraten: „Ihr sollt sagen: So Gott will und wir leben, werden wir dies oder das tun“  (nach Jakobus 2,15). In Theologenkreisen ist dieser Vorbehalt des Apostels unter der lateinischen Chiffre „Sub conditione Jakobi“ bekannt. Sollen wir mit Skrupeln in das neue Jahr gehen oder nur mit Vorbehalten Planungen für 2017 machen?  

Ich suche mit Ihnen nach einem anderen Weg, den Johannes 14,1-6 weist. Christus spricht: (1) „Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!

(2) In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? (3) Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. (4) Und wo ich hingehe, den Weg wisst ihr.

(5) Spricht zu ihm Thomas: „Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen?

(6) Jesus spricht zu ihm: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.

 

IV. Weg zum Schöpfervater

 

Niemand kommt zum Vater denn durch mich. Es gehört mit zu den schönsten Entdeckungen, die ich mit meinen Schülern im letzten Herbst gemacht habe, dass ja viele Religionen Zugang zu Gott haben. Dass wir Gott aber als Vater ansehen, ihn im Vaterunser auch als solchen ansprechen können, ist doch ein Reichtum, den das Christentum insbesondere unser Evangelischer Glaube für das Lutherjahr 2017 für die Welt bereithält.

Gottes Haus hat viele Wohnungen, hören wir im Predigttext. Als Richter tritt er in den vielen Zimmern der Religionen auf. Viele sitzen dort verzagt und erschrocken über die Unberechenbarkeit Gottes. Martin Luther hat wieder entdeckt, dass der, der unsere Planungen beobachtet und wohl auch beurteilt, unser himmlischer Vater ist. Mag es in der Welt so manche Rabenväter geben, von Heilig Abend haben wir indessen noch im Ohr, dass Gott die Welt weder verloren gibt noch in die Verdammnis stoßen will, sondern retten möchte (Johannes 3,16f.). Wie ein guter Vater die Wege für die Kinder ins Leben bahnen hilft, so hören wir von Christus, wie er für die Seinen die Stätte im Haus Gottes bereiten wird.

Der Weg zum Vater heißt Wahrheit und Leben. Irrwege sollen schon als solche benannt werden - die privaten wie die öffentlichen - aber doch so, dass dann noch Leben möglich ist. Von der johanneischen Gemeinde hören wir hier von dem großen Stichwort der Liebe. Gott ist die Liebe (1. Johannes 4,16). In Christus können wir den Weg zu der Liebe Gottes finden und ihn als Schöpfer so wie die anderen Religionen auch verehren und ihn zugleich als Vater, als Schöpfervater wertschätzen.

 

V. Dankbar ins Jahr 2017

 

Euer Herz erschrecke nicht. Dieses Werben um Vertrauen soll für unser neues Jahr gelten, für unsere Planungen und auch gegenüber dem Terror, der Deutschland in Berlin und die Türkei gestern wieder in Istanbul heimgesucht hat. Wie die DITIB - Moschee ihr Mitgefühl den Opfern und Angehörigen in Berlin unserer Gemeinde zu Weihnachten ausgedrückt hat, so möchte ich unser Mitgefühl an dieser Stelle auch für die Angehörigen und Opfer des Terroranschlags in der Türkei ausdrücken.

Das eigentlich Erschreckende für Gläubige ist aber, liebe Gemeinde, Gott lässt den Terror zu. Ich lade daher unsere muslimischen Glaubensgeschwister ein, in Christus Klarheit über den Heilswillen Allahs (Gottes) zu bekommen. Denn in der Geschichte ist dieser vielfach verborgen – leider auch für uns Christenheit. Christus aber ruft uns zu: Euer Herz erschrecke nicht.

 

Freilich, wir werden wieder trotz Unbill und Terror der Geschichte auch 2017 in Freiheit viel planen und damit uns auch eine ganze Menge Arbeit und Verantwortung aufbürden. Aber mit Christus ändert sich auch der Blick auf den eigenen Lebensweg. Meine Frau hat in den Wochen auf Weihnachten hin, aus einem besonderen Adventskalender „Der andere Advent“ gelegentlich etwas vorgelesen. Da war unter der Überschrift „Dankbarkeit!“ folgender Notizzettel zu finden:

 

Früh wach – lebendige Kinder

Haus voller Unordnung – ein Dach über dem Kopf

Schon wieder Regen – gut für den Garten

Der tägliche Einkauf – Versorgung Gesichert

Berge von Wäsche – genug zum Anziehen

Stapel von Abwasch – alle sind satt

Bus verpasst – geschenkte Zeit

Jede Menge Lärm – Menschen um mich her

Erschöpft ins Bett – ein Tag voll Leben!

 

Es geht bei diesem Perspektivwechsel nicht darum, ob das Glas halb leer oder voll ist. Das wäre Ansichtssache, je nachdem ob man ein Pessimist oder Optimist ist. Der Laufzettel klagt mit, um es an einem Beispiel daraus deutlich zu machen: Ja, auch 2017 wird es jede Menge Abwasch geben. Aber diese Berge sind auch ein Zeichen dafür, dass alle satt geworden sind, dass das Gebet im Vaterunser, unser täglich Brot gib uns heute, erfüllt ist. Der Notizzettel macht deutlich, dass da jemand vorausgegangen ist, uns das bereitet, was zum Leben notwendig ist. Ein Tag voll Leben, so endet der Notizzettel. - Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. - Unter der To-Do-Liste steht daher auch ein Amen. Es ist ein Gebet, das die Klage in Dankbarkeit wendet.

 

Die kleine Liste ermutigt dazu, auch einmal auf einen Zettel zu schreiben, worüber wir zu klagen haben, und die Klage mit dem Schöpfervater vor Augen in Dankbarkeit verwandeln, damit wir das Jahr 2017 neu aus Gottes guter väterlicher Hand nehmen und beherzt gestalten können.

 

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen



Autor: Pfarrer Martin Kleineidam