Ein feste Burg

Liedpredigt EG 362 und Predigt zu Psalm 46


Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

AMEN

 

Liebe Gemeinde,

 

Als wir noch in Oberbayern Pfarrer waren, bekamen wir Besuch von einem katholischen Kollegen. Unsere Jungs waren noch klein und ein großes Bilderbuch von Ali Mitgutsch lag auf dem Tisch. Aufgeschlagen war eine Doppelseite über das Leben auf dem Dorf. Wir haben sie zusammen mit dem Kollegen und den Kindern angeschaut. Mitten im Dorf stand eine Kirche,offensichtlich war es kurz vor dem Gottesdienst, denn von allen Seiten waren Menschen zur Kirche unterwegs.

 

Wir haben – das legt sich in der ökumenischen Konstellation am Kaffeetisch nahe – überlegt, ob es wohl ein katholischer oder evangelischer Gottesdienst sei. Unser katholischer Kollege hat nach kurzer Überlegung gesagt: Na, das ist doch klar, das muss ein evangelischer Gottesdienst sein. Auf unsere verblüffte Frage, wie er denn darauf komme, hat er geantwortet: Das kann nur evangelisch sein, denn alle Leute, die zur Kirche gehen, haben ein Gesangbuch in der Hand.

 

In der Tat, wir haben Martin Luther nicht nur die Bibel in unserer Muttersprache zu verdanken, sondern auch den ersten Vorläufer unseres Gesangbuches. Luther hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Gottesdienstgemeinde eine singende Gemeinde wurde.

 

Nicht nur Geistliche und geschulte Chorsänger, sondern jeder Christ sollte von seinem Glauben in seiner eigenen Sprache singen können.

 

Bereits 1529 kam so das sog. „klugsche Gesangbuch“ heraus, der Prototyp des Evangelischen Gesangbuches.

Neben dem gesprochenen Wort in Lesung, Predigt, Glaubensbekenntnis und Gebet sind seither Gesangbuchlieder lebendiger Ausdruck unseres Glaubens. Das gemeinsame Singen ist aus einem evangelischen Gottesdienst nicht wegzudenken.

 

Eines der Lieder, das seit diesem ersten evangelischen Gesangbuch seinen festen Platz in jedem protestantischen Gesangbuch hat, ist das Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“. Text und Melodie von unserem Kirchenvater Martin Luther.

 

Bevor wir es nachher gemeinsam singen, hören wir im Lauf der Predigt dazu die Choralkantate von dem Hofkapellmeister Johann Philipp Krieger. Diese Kantate hat im Übrigen nicht nur etwas mit Martin Luther und der Reformation zu tun, sondern auch mit unserer Stadt: Denn sie ist vermutlich während Kriegers Tätigkeit in Bayreuth in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden.

 

Hören wir nun zunächst die Strophen 1 und 2

1. Ein’ feste Burg ist unser Gott,

Ein gute Wehr und Waffen;

Er hilft uns frei aus aller Not,
Die uns jetzt hat betroffen.
Der alt’ böse Feind, Mit Ernst er’s jetzt meint,
Gross’ Macht und viel List
Sein’ grausam’ Ruestung ist,
Auf Erd’ ist nicht seingleichen.

 

2. Mit unsrer Macht ist nichts getan,
Wir sind gar bald verloren;
Es steit’t für uns der rechte Mann,
Den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist? Er heisst Jesu Christ,
Der Herr Zebaoth, Und ist kein andrer Gott,
Das Feld muss er behalten.

 

 „Ein feste Burg ist unser Gott“.

Das ist seit damals eine Art protestantischer Nationalhymne geworden. Ein Liederforscher aus dem 19. Jahrhundert sagt einmal: Ein feste Burg hat schon "je und je als das eigentliche Trutz- und Triumphlied der evangelischen Kirche gegolten" .

 

Und Heinrich Heine nennt es “in seiner Schrift zur "Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland" (1834) die "Marseillaise der Reformation" und ordnet das Lied in die Geschichte der Gedankenfreiheit ein.

 

Ein feste Burg wird mittlerweile auf der ganzen Welt gesungen, obwohl ich mir ehrlich gesagt kaum vorstellen kann, wie gerade dieses Lied etwa auf koreanisch oder japanisch klingen mag.

 

In welcher Zeit ist es entstanden?

Ein Stück Geschichte Martin Luthers und der Reformation ist hier spürbar verarbeitet: Denkt man etwa an das Jahr 1521, das Jahr des Bekenntnisses vor Kaiser und Reich auf dem Reichstag in Worms. Die Situation dieses Reichstages erinnerte an das Schicksal des tschechischen Reformators Johann Hus 100 Jahre vorher.

Hus hatte man beim Besuch des Konzils in Konstanz ebenfalls freies Geleit zugesichert, und ihn allen Zusicherungen zum Trotz danach gefangengenommen und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

 

So riet man Luther dringend davon ab, nach Worms zu reisen, weil man auch um sein Leben fürchtete und dem freien Geleit nicht traute.

 

Doch Luther entgegnete seiner eigenen Furcht zum Trotz:

„und wenn in Worms so viele Teufel wie Ziegel auf den Dächern wären,

so wollte ich doch hineingehen!“.  Daran erinnert die dritte Strophe:

Und wenn die Welt voll Teufel wär`

und wollt uns gar verschlingen…“.

 

Auf der Rückreise von Worms wird Luther dann im Auftrag seines Landesherren, des Kurfürsten Friedrichs des Weisen von Sachsen überfallen und entführt – eine filmreife Szene….

Man brachte ihn auf die Wartburg in Schutzhaft. Dort übersetzt er, als Junker Jörg verkleidet, das Neue Testament - in seiner Wortgewalt und Sprache bis heute für uns prägend.

 

Bei dem Liedanfang „Ein feste Burg“ sieht man ihn direkt auf der Wartburg. Wenn die Wachen aufgestellt und die Zugbrücke hochgezogen war, konnte man sich dort oben auf der Burg sicher und geborgen fühlen.

 

Diese Erfahrung ist für Luther zum Gleichnis für die Geborgenheit des Christen in Gott geworden.

 

Die Zeit der Bedrohung war auch nach der Wartburg allgegegenwärtig. 1527 wütete die Pest in Wittenberg.

Allen widrigen Umständen zum Trotz dichtet und singt Martin Luther vom Vertrauen auf Gott, von Zuversicht und Trost in Bedrängnis und Versuchung, in Krankheit und Krieg und Angst.

Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen.

 

Was gibt einem Menschen Kraft in schweren Tagen 

  • das sind die Grundfragen Martin Luthers
  • das sind auch unsere Grundfragen heute
  • und ebenso die Grundfragen des Psalms 46, der dem Liedtext zugrunde liegt:

 

Dort heißt es:

Gott ist unsre Zuversicht und Stärke.

Eine Hilfe in den großen Nöten,

die uns getroffen haben.

Darum fürchten wir uns nicht,

wenngleich die Welt unterginge

und die Berge mitten ins Meer sänken,

wenngleich das Meer wütete und wallte

und von seinem Ungestüm die Berge einfielen…

Der HERR Zebaoth ist mit uns;

der Gott Jakobs ist unser Schutz.

Kommet her

und schauet die Werke des HERRN…

der den Bogen zerbricht,

Spieße zerschlägt

und Wagen mit Feuer verbrennt…

Der HERR Zebaoth ist mit uns;

der Gott Jakobs ist unser Schutz. 

 

Luther hat diesen Psalm frei nachgedichtet, und seinen kämpferisch trotzigen Ton aufgenommen, mitten in großer Bedrängnis.

 

Denn der Kaiser hatte inzwischen über ihn die Reichsacht und der Papst den Bann verhängt, er galt als vogelfrei. So hatte sein freies Bekenntnis ihn und seine Familie in eine lebensbedrohliche Lebenssituation gebracht.

 

Und es erreicht ihn die Nachricht, dass einer seiner Mitstreiter, Leonhard Kaiser, eben auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war – und er blieb nicht das einzige Opfer….

 

 

Lesen wir auf diesem Hintergrund die Worte in der letzten Strophe:

„Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib, lass fahren dahin, sie haben kein Gewinn.….“.

 

Das ist keine schwärmerische Abkehr von der Welt oder esoterische Flucht in die Innerlichkeit, sondern hier spürt man die reale und greifbare bedrohliche Erfahrung von Verfolgung und Lebensgefahr.

 

Doch gemäß dem Apostelwort „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg. 5,29) hat Luther sich selbst von der drohenden Todesgefahr nicht einschüchtern und zu Zugeständnissen erpressen lassen.

 

Freilich, er war kein Übermensch, er hatte immer wieder mit Schwermut und Angstzuständen zu kämpfen, war von Nierenleiden geplagt, die vielen Anfeindungen gingen ihm im wahrsten Sinne des Wortes an die Nieren und haben ihm aufs Gemüt geschlagen.

Er musste sich immer wieder selbst Mut zusprechen und den Glauben ins Herz singen.

 

 

Hören wir also weiter die Kantate die Strophen 3. und 4.

3. Und wenn die Welt voll Teufel wär’
Und wollt’ uns gar verschlingen,
So fürchten wir uns nicht so sehr,
Es soll uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt, Wie sau’r er sich stellt,
Tut er uns doch nicht,
Das macht, er ist gericht’t,
Ein Wörtlein kann ihn fällen.

 

4. Das Wort sie sollen lassen stahn
Und kein’n Dank dazu haben;
Er ist bei uns wohl auf dem Plan
Mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr’, Kind und Weib: Lass fahren dahin,
Sie haben’s kein’n Gewinn,
Das Reich muss uns doch bleiben.

 

Immer wieder schien es Luther, als ob die Macht des Bösen, des Teufels,

  • der „altböse Feind“,
  • der Fürst dieser Welt,

die Oberhand gewinnen würde, der sich mit Macht und List rüstet.

„Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren“.

 

Man spürt, dass Luther weiß, wovon er redet, eben das macht dieses Lied bis heute tragfähig und glaubwürdig.

 

Luther weist wie in einem kleinen Frage- und Antwortspiel hin auf den, der Halt und Hilfe geben kann:

„Es streit für uns der rechte Mann, den Gott selbst hat erkoren.

Fragst du, wer er ist, -  er heißt Jesus Christ“.

 

Jesus Christus hat uns gezeigt, dass wir in allem, was auch kommen mag, nie aus den Händen Gottes herausfallen können, selbst im Tod nicht, er hat verheissen, dass am Ende dieser Weltzeit nicht das Nichts oder das Chaos steht, sondern der Sieg des Lebens, das Reich Gottes und seine Herrschaft. Dafür ist Jesus Christus mit seinem Leben eingestanden. Darum gilt durch alle Angst und Not hindurch: „Das Feld muss er behalten“.

 

Die Wirkungsgeschichte dieses Reformationsliedes reicht bis in die Gegenwart, es hat vielen Menschen durch die Jahrhunderte hindurch Mut und Gottvertrauen gegeben.

 

Gesungen haben es die Leidenden des 30jährigen Krieges, in den Zeiten der Bedrohung durch die Gegenreformation und plündernde Soldaten, gesungen haben es Menschen in Zeiten von Hunger und Pest.

 

Während des „Dritten Reiches“ ist es in den Gottesdiensten der „Bekennenden Kirche“, meist stehend - gesungen worden.

Man sah damals die Macht des Bösen in die Kirche eindringen; man sah Menschen, die durch den Zeitgeist verwirrt waren und nicht mehr wussten, was und wem sie glauben sollten.

Da ging von diesem Lied eine Kraft aus, die den Menschen das Rückrat gestärkt hat, auch angesichts von Denunziation und drohender Inhaftierung sich nicht vom Bekenntnis ihres Glaubens abbringen zu lassen.

 

Wir sprechen heute anders als damals eher nicht mehr vom Teufel, wir werfen auch nicht wie Luther Tintenfässer nach ihm, wir beschreiben das Böse, das wir erfahren, mit anderen Worten, aber die Grunderfahrungen sind letztlich keine anderen als zu Zeiten Luthers damals.

 

Auch unsere Zeit hat ihre Ängste, durchaus sogar Weltuntergangsängste, die einen bei so mancher Nachricht überkommen können.

 

Es widerfahren uns Dinge im Großen und im kleinen, die uns Angst machen, die uns das Gefühl der Ohnmacht geben, es begegnen uns Menschen, die uns und anderen übel wollen, und es wirken zerstörerische und böse Kräfte in dieser Welt.

 

All dem will dieses Lied ein trotziges Dennoch entgegensingen, wie es in Psalm 72 heißt: Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du bist mein Fels und meine Burg und mein Erretter.

 

Das Fundament solchen Glaubens, das Fundament der Kirche ist das Wort Gottes. Es ist einer der wesentlichen reformatorischen Grundsätze, dass das Wort Gottes rein und unverfälscht und ohne Zusätze verkündigt wird.

 

„Das Wort sie sollen lassen stahn

und kein Dank dazu haben“.

„Dank“ meint hier, keine weiteren Gedanken, keine Zusätze dazu zu stellen, das Wort eben nicht zu verändern oder verfälschen.

 

Allein die Schrift – nicht Tradition oder päpstliche Dekrete –allein Gottes Wort  ist Quelle des Glaubens.

 

Und gegen die Kraft des Wortes Gottes

ist das Böse machtlos:

„Der Fürst dieser Welt,
Wie sau’r er sich stellt,
Tut er uns doch nicht,
Das macht, er ist gericht’t,
Ein Wörtlein kann ihn fällen.“

 

So ist das Reich Gottes am Ende eben doch größer als alle Reiche dieser Welt, die Ewigkeit wird alle vergänglichen Reiche dieser Welt überdauern.

Und so beschließt Luther sein Lied:

„Das Reich muss uns doch bleiben“.

 

Und dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.


AMEN

 

 



Autor: Pfarrerin Ruth Scheil