Den Heiland sehen wie Simeon und Hannah

Lars Wolf, Foto der Skulptur Simeon (Lukas 2,22-35)

Lars Wolf, Foto der Skulptur Simeon (Lukas 2,22-35), Foto: Hansmartin Kapp, Mössingen

Lukas 2, 21. 25-38


Liebe Gemeinde, 

 

Ich habe ihnen ein Foto der Plastik „Simeon“ mitgebracht. Mein Vater hat diese Bronzefigur von seinem ehemaligen Konfirmanden Lars Wolf geschenkt bekommen. – Die Augen geschlossen, den Kopf mit dem grauen Bart und den großen Ohren nach oben gerichtet, mit seinen starken Armen das acht Tage alte Kinde sicher haltend und behutsam an sich drückend,  - so steht er da, der Simeon.  Gleich nach der Geburtsgeschichte von Jesus wird uns seine Geschichte erzählt:

„Und als acht Tage um waren und man das Kind beschneiden musste, gab man ihm den Namen Jesus, wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war. (Seine Eltern brachten ihn nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen.)

Und siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war mit ihm. Und ihm war ein Wort zuteil geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel.  Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun wie es Brauch ist nach dem Gesetz, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:

Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden sterben, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.“

 

Maria und Joseph haben ihren Sohn von Anfang an Gott unterstellt, haben ihn gemäß ihrer Religion zur Beschneidung und Namensgebung in den Tempel gebracht. Ihr Erstgeborener soll hineingehören in Gottes Bund mit seinem Volk. Er soll teilbekommen an den Verheißungen und Segnungen dieses Bundes. Er soll die Gebote Gottes kennen und sie halten lernen.

Von ihm Simeon heißt es, er war gottesfürchtig und fromm. „ Er wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war mit ihm.“ Und noch jemand war da im Tempel, die Prophetin Hanna. Von ihr habe ich zwar kein Bild, aber ich möchte sie keinesfalls unterschlagen. Von ihr heißt es dass sie nach nur 7 Jahren Ehe bereits Witwe wurde und nun 84 Jahre alt war. „Sie wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht.  Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“. 

Hier sind Menschen, die warten, die warten können. Simeon, Hanna und andere mit einem Herzen voller Sehnsucht nach Erlösung, mit dem Atem einer wundervollen Geduld. Was hatte sie so alt werden lassen, sowohl Simeon als auch Hanna? Was war das Geheimnis ihres Wartenkönnens, ihrer Geduld?

Von Simeon wird es berichtet: „…ihm war ein Wort zuteil geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Gesalbten des Herrn gesehen.“  Und ich nehme an, die Prophetin Hanna hat ein entsprechendes Verheißungswort bekommen.

Ein Wort hatten sie erhalten, und dieses Wort hielt sie. Wohl denen unter uns, die um ein ähnliches Wort wissen: ein Losungswort, das Versprechen eines Menschen, ein Jawort,  ein Taufwort oder ein Konfirmationsspruch. Ohne gewisse Worte, die tragen und halten, kann es schwer werden im Leben. Mich begleitet mein Konfirmationsspruch  und ich kenne viele, denen es ebenso geht.

Simeon hat das Wort des Heiligen Geistes getragen und gehalten, das kommt, wie ich finde, in der Darstellung von Lars Wolf gut zum Ausdruck. Zunächst hat das Verheißungs-Wort ihn gehalten (und so alt werden lassen), jetzt hält er den verheißenen Heiland voller Liebe in seinen Armen: Er nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:

„Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden sterben, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.“

Auch beim Simeon auf der Abbildung ist dieses Licht zu sehen, wie ich finde. Seine Augen leuchten nach innen. Der Glanz auf seinem Angesicht, die Freude um seinen Mund, die Hoffnung, die seine Haltung ausstrahlt, sie haben ihren Grund und Ursprung in dem Licht, das von dem Kind ausgeht. Von dem Licht, mit dem Gott alle erleuchten will, die Heiden, also Nichtgläubigen ebenso wie die Frommen.

 

Nun kann er also in Frieden sterben. Das kommt bis heut nicht selten vor, dass da ein Mensch nicht sterben kann, weil etwas noch nicht eingetreten ist in seinem Leben: eine Verheißung, eine Versöhnung, ein Friede. Und im Leben des Simeon traf ein, was den Bogen seiner Sehnsucht gespannt hatte: der Trost Israels, die Verheißung, der Friede. Und tatsächlich geschieht auch dies bis auf den heutigen Tag, dass bei Menschen, die unsere Zeitgenossen sind, dieser Friede ankommt: das Licht Jesus, seine Versöhnung, sein Heil. Sie können dann – je nach Lebensalter – richtig zu leben beginnen, oder aber im Frieden dem Tod entgegensehen.

 

„Und Jesu Vater und Mutter wunderten sich über das, was von ihm (Jesus) gesagt wurde. Und Simeon segnete sie…“

Was für eine Begegnung!  - Einander wildfremde Menschen begegnen sich. Und dann geht da vom Jüngsten, dem Neugeborenen, ein Licht aus, das die Seele des Ältesten, Simeons Seele, entzündet und hell macht. Und dann geht dieser her und legt den drei Jungen die Hände auf und segnet sie. Die ganze Kraft und Weisheit, alle seine selber empfangene Gnade legte er  in diese Handlung.  Was den dreien auch widerfahren würde von nun an – und wir wissen, was das war (Siehe, dieser –Jesus – ist gesetzt zum Fall und Aufstehen für viele …) –  sie hatten jedenfalls erlebt: Gesegnete sind wir.  Es ist nicht nur der persönlich Segen des alten Mannes, den Simeon weitergibt, es ist wie bei jeder Namensgebung und Taufe die einst dem Abraham geschenkte Verheißung, die Simeon weitergibt: „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein“.

Auch ich wurde von meinem Vater in bestimmten Momenten gesegnet, und ich habe das in bleibender Erinnerung. Unsere Kinder segnen wir vor dem Schlafengehen oft mit dem Kreuzeszeichen.  Und ich ermutige Sie, wenn Sie Kinder oder Enkel haben – in welcher Form und wie selten oder oft  auch immer – sie zu segnen.

„Du sollst ein Segen sein.“ Unsere Kinder sind ja in vieler Hinsicht ein Segen für uns. Ich empfinde es etwas vom Schönsten, von Nahem zu erleben, wie Kinder heranwachsen.  Bei kleinen Kindern   passiert ja so viel in kurzer Zeit. Plötzlich krabbeln sie, und dann später  fangen sie an zu gehen. Dass ich das bei meinen Kindern miterleben durfte, empfinde ich als Segen. Natürlich bringen Kinder auch Arbeit und Mühe mit sich, doch wenn sie einem als Heranwachsende dann zum einen durch manche Auseinandersetzung den Horizont erweitern, zum anderen Liebe zurückschenken, dann kann man den Segen spüren.

Umfassenden Segen und Heil für die ganze Welt hat das Krippenkind gebracht. Der erwachsene Jesus hat Liebe so klar gelebt und sein Leben mit anderen so eindeutig geteilt, dass es ansteckend ist. Wer ihn als Heiland, der Liebe, Treue und Frieden gebracht hat, erkennt und anerkennt, der oder die wagt es, seinen Spuren zu folgen, wagt es, selbst Liebe zu leben. –Simeon und Hannah haben ihn als Heiland anerkannt und dabei das Leben voller Licht gewonnen, das diese Zeit überdauert und den Tod überstrahlt. Solch ein Leben wünsche ich uns allen.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

 

 



Autor: Pfrin. Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam