Eselsbrücke vom Sehen zum Glauben

Johannes 12,12-19


Liebe Gemeinde!

 

I. Esel landauf landab

 

   Mit einem Esel will die Herrlichkeit Gottes zu uns kommen. Es ist gar nicht lange her, dass unser Vertrauensmann vom Kirchenvorstand mit einem kleinen Stoffeselchen Spendengelder eingeworben hat, damit die Stadtkirche saniert werden kann. Auf der Landesgartenschau nächstes Jahr werden weiße Esel zu sehen sein. Und so mancher Esel, dessen einfältiger Ruf als Echo durch die Berge halt, wird sich noch in die Erinnerung an einen Urlaub in Griechenland oder anderswo ins Gedächtnis eingebrannt haben. Selbst wenn Sie sich letzte Woche mit dem Ruf beleidigt haben sollten: „Oh, ich dummer Esel“ oder mit liebevoller Einsicht: „Ach, ich alter Esel“ Meister Graupelz bleibt ein viel bestauntes Geschöpf z. B. bei uns am Röhrensee. Einen Esel stellen viele Erwachsene zu Weihnachten an ihre Krippe und erinnern an das Wort des Propheten Jesaja, (1,3) „Jeder Esel kennt die Krippe seines Herrn, aber Israel weiß das nicht.“

Dieser Ahnungslosigkeit gegenüber kennen auch unsere Kinder einen Esel besonders gut, den Esel Stups – gespielt von einer Mitarbeiterin des Kindergarten Spatzennest. Fünfmal im Jahr macht der Esel Stups kleine Kinder zwischen 2 und 6 Jahren im Gottesdienst mit einer Person vertraut, um die es heute geht. So auch gestern, als die Kinder mit selbstgebastelten Palmbuschen Jesus hier in die Kirche den Weg bereiteten. Sie alle kennen den Einzug nach Jerusalem, wie wir sie vorhin gehört hatten.

 

II. Die Problematik der Anschaulichkeit

 

Der johanneische Predigttext ist zunächst eine Geschichte für´ s Auge. Man kann sich das richtig vorstellen, wie die Menschenmenge vor die Tore Jerusalems strömt, Jesus entgegen, der - wie der verheißene Messias auf einem Eselchen sitzend - sich langsam der Hauptstadt nähert. Die Leute schneiden von den Palmen am Weg Fächerzweige ab und schwenken diese zum Gruß des Königs auf dem Eselsfüllen. Mit diesem sichtbaren Zeichen will das Volk nicht nur an den Hohepriester, Feldherrn, Fürst der Juden, Simon erinnern – den Begründer des Hauses der Makkabäer und Hasmonäer – der um 140 v. Christus in eine eroberte Stadt mit Psalmen und Palmzweigen einzog. Es drückt vor allem seine Erwartung aus: Wenn Jesus von uns wie ein König empfangen wird, dann soll er aber auch wie ein König handeln und Jerusalem von der Besatzermacht der Römer befreien. Konnte er nicht Tote aufwecken wie Lazarus? Ein totes Volk wie Israel muss er nun auferstehen lassen… Das jedenfalls war die messianische Hoffnung der Masse. So wie bei der Auferweckung des Lazarus sah sie im Eselsritt Jesu ein machtvolles Zeichen, das von Sacharja angekündigt war. Darum rühmt die Menge auch die Tat dessen, der ihnen und seinen Henkern entgegenritt. - „Siehe, alle Welt, der Kosmos, läuft ihm nach.“ Jammern daher die Pharisäer  „Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet.“ Johannes führt uns mit seiner Geschichte vom Einzug auf einem Esel in die Sackgassen menschlichen Sehens. Sehen wir bei dem Spektakeln das richtig? Und was sollen wir eigentlich mit dem Esel sehen? „Die Aufforderung „Seht!“ ist ein Ruf der Pharisäer, nicht des Manns auf dem Esel.

 

III. Eseleien

 

Geht man in die Richterzeit des Volkes Israel zurück, so sind dort die Gebieter Israels auf weißen Eselinnen geritten mit kostbaren Teppichen bestückt. Ihnen galt das Herz und das Siegeslied der singenden Debora (Ri. 5,10). Bei Sacharia (9,9) reitet zwar der König auch auf einem Esel, aber es ist nur noch das Füllen, das Jungtier, das noch niedriger ist als eine Eselin ganz zu schweigen gegenüber einem Pferd. Der Propheten sieht vor seinem geistigen Auge den künftigen König arm, aber dafür gerecht und helfend daher reiten. Er soll Frieden bringen. Aber schon die Vorstellung, dass er Frieden gebietet (Sach. 9,10), lässt uns stutzen. Wir kennen die, die andere Länder befrieden wollten. Diktatoren - wie einige Zeit nach Sacharia vornehmlich der Feldherr Cäsar - hatten anderen Völkern die Bedingungen des Friedens als Sieger diktiert. Auch Sacharia, der in unserem Predigttext zitiert wird, stellt sich den Messias als Feldherren vor, der mit dem Bogen Judas und dem Pfeil Ephraims die Griechen vernichten soll. (Sach. 9,13-15). Auch das kennen wir, dass Führer der Völker bescheiden daher kommen, gleichsam auf einem Esel reiten, und Worte aufgreifen, die gefällig sind wie: „Sich auf Augenhöhe begegnen“. Und die doch im Zweifelsfall herrschen wollen. Ist Jesus auch so einer, der das Last- und Reittier des kleinen Mannes usurpiert, das Volk damit blendet, wenn er auf einem Füllen geritten kommt, um letztlich an die Macht zu kommen und die Söhne des Volkes in den Krieg zu schicken? Wir kennen die Machtergreifung in einem anderen Tierbild vom "Wolf im Schafspelz".

Drahtesel statt Pferdestärken, lautet die Eselsvariante in unseren Tagen. Und der, der auf der Kanzel steht und den Sie gelegentlich mit Eselsgeduld ertragen, ist ja auch so einer, der das gern mal hinten auf sein Fahrrad schreibt: "Gib dem Bußtag autofrei". Will heißen: Steig um vom Auto aufs Fahrrad. Und dann wird begründet: Wie einst Jesus auch ein Fortbewegungsmittel genutzt hat, wo man sich auf Augenhöhe begegnen konnte, so lasst uns nun den Drahtesel nehmen, um der Schöpfung angesichts drohenden Klimawandels auf Augenhöhe zu begegnen. Nicht, dass das falsch wäre, im Gegenteil... Aber es geht doch darum den Diener des Wortes nicht mit dem Wort Gottes, Christus Jesus, selbst zu verwechseln.

Denn ach ja, nicht jedem der ähnliche umweltfreundliche Sätze propagiert, wird man solche Parolen ohne weiteres abnehmen können. Denn viele Machthaber sind bereits auf die "Ökoschiene" umgestiegen, obwohl sie noch vor gar nicht langer Zeit, andere als „Ökospinner“ und Esel verunglimpft haben. Manche haben mit dem Ökoboom Geld gemacht und dabei andere auf das Glatteis von hochriskanten Ökospekulationen geführt – wie wir schmerzhaft auch in der eigenen Kirche in München erfahren mussten. Freilich darf jeder und jede dazulernen. Aber wie der Esel damals, so kann der Drahtesel heute missverstanden und zu Machtinteressen missbraucht werden. Seid schlau wie die Schlangen, sagte Jesus an anderer Stelle, und nicht so dumm wie ein Esel.

 

IV. Es ist die Liebe, die einen glauben und vertrauen lässt

 

   Den Esel aber einfach aus der Jesusgeschichte streichen geht genauso wenig, wie den Drahtesel unserer Tage von der Straße verbannen. Das wären neuerliche Eseleien. Wie also müssen wir den Esel unserer Palmsonntaggeschichte sehen? Der Esel ist eine Brücke vom Sehen zum Glauben. Wer den Esel begleitet, die Sackgasse des Sehens mit zu Ende geht, wer den Durchbruch dieser Sackgasse am Kreuz verfolgt und die Passionsgeschichte bei Johannes bis Ostern weiter hört, wird die Zielaussage des Eselsritts hören: Selig sind die nicht sehen und doch glauben. (Joh. 20,29). Das ist es, was die Jünger erst im Nachhinein erkannten, als Jesus verherrlicht war, wie unser Predigttext voraus greift. --- Es gilt nicht zu sehen, sondern den Glauben zu fassen. --- Doch wie geht das? Der Weg des Esels führt in die Stadt Jerusalem. Dort warten die Gegner Jesu, das Prätorium des Pilatus und schließlich das Kreuz auf Golgatha. Jesus wählt den Esel als Reittier. Einen Esel der von jedermann geschlagen wurde bis heute, den man von Kindesbeinen an jede mögliche Art von Lasten aufbürdet. Und was macht das kleine Eselchen. Es trägt die Last und unser Esel? Er trägt den, der voll Liebe ist. Wie es bei Johannes anfangs heißt „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eigenen Sohn gab…“ (Joh. 3,16) oder gegen Ende in den Worten des Sohnes selbst „Bleibt in meiner Liebe“ (Joh. 15,9). Der Esel und der Reiter, sie verschmelzen zu einer Einheit derer, die viel tragen, ertragen und am Ende noch geschlagen werden. Es ist eine Einheit der Liebe, die in die Stadt Einzug hält und in unsere wieder Einzug  halten möchte. So bilden der Esel und sein Reiter eine Brücke vom Sehen zum Glauben. Denn es ist die Liebe, die einen glauben und vertrauen lässt.

 

V. Eselsbrücke vom Sehen zum Glauben

 

   Jesus und sein Reittier verschmelzen zu einer Einheit der Liebe. 1856 stießen Forscher auf dem Palatin in Rom nach der Entfernung von Trümmerschutt in einer ehemaligen römischen Kadettenanstalt auf eine seltsame Kreuzesdarstellung, die in die Wand eingeritzt war. Übrigens, die älteste bekannte Kreuzesdarstellung (aus der Zeit um 123 bis 126 n.Chr.) Jesus Christus wird am Kreuz mit einem Eselskopf dargestellt. Daneben ist ein junger Mann in den Stein geritzt, der dem ihm zugewandten Esel mit erhobener linker Hand zuruft. In ungelenken, griechischen Buchstaben ist die Karrikatur folgendermaßen kommentiert worden: „Alexamenos sebete theon“: „Alexamenos betet seinen Gott an.“ Liebe als gestaltgewordene Eselei am Kreuz. - Macht man sich nicht manchmal zum Esel, wenn man liebt? Diese Frage beschäftigte sicher nicht nur die antiken Römer mit Blick auf den Gekreuzigten, der auf der Karrikatur so sehr mit seinem Lasttier verschmolzen war, sondern gelegentlich auch uns. Vertrauen und Liebe stehen daher oftmals in der Kritik der Vernunft. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, sagt die Ratio. So wichtig Kontrolle bei Misswirtschaft sein mag, von Kontrollstaaten, die alles und jeden durchleuchten und auf Loyalität überprüfen, haben wir hier in Deutschland indessen genug. Es geht letztlich auch wieder von der Kontrolle weg zukommen, weg vom prüfenden Sehen zum Glauben - in Blick auf Gott aber auch unter uns Menschen.

Sie alle kennen Eselsbrücken. Es sind absonderliche Lernhilfe, mit denen man sich schwierige Verbindungen oder Zusammenhänge merken kann. Sie sind manches Mal etwas abwegig, aber gerade deshalb gut zu merken. An unserer Kirchenhauptseite zwischen den Türmen finden sie über dem Portal z. B. die vier Evangelisten dargestellt mit den Symbolen Engel, Löwe, Stier und Adler. Wenn man die Reihenfolge der biblischen Bücher im Kopf hat, dann kann man mittels des Namens ELSA die Symbole den Evangelisten gut zuordnen: E für Engel = Matthäus, L für Löwe = Markus, S für Stier = Lukas und zuletzt unser heutiger Evangelist mit A für Adler.

Sich mit dem Glauben vertraut zu machen, dazu braucht man auch eine Brücke vom Ufer des Sehens hinüber zum Ufer des Vertrauens. Schaut man sich an, woher das Wort Eselsbrücke kommt, kann man vielleicht leichter nachempfinden, dass es gar nicht so leicht ist, vom Sehen zum Glauben zu kommen.     Dem Esel sagt man nach, er ist sehr wasserscheu und weigere sich beharrlich, auch kleinste Wasserläufe zu durchwaten. Auch wenn sie diese Gewässer physisch leicht bewältigen könnten, schaffen sie diese Schritten nicht; denn ein Esel kann durch die spiegelnde und sich bewegende Wasseroberfläche nicht erkennen, wie tief der Bach ist. Daher baute man ihm in Furten kleine Brücken, die sogenannten „Eselsbrücken“. Wenn man denkt, dass ein Esel über jede Brücke geht, irrt man. Der Esel setzt seinen Huf nur auf eine Brücke, die ihm Sicherheit bietet. Somit steht die „Eselsbrücke“ auch für die Sicherheit.

Analog dazu ist eine sprichwörtliche Eselsbrücke ein Umweg oder besonderes liebevoller Aufwand, der nicht nur schneller sondern überhaupt erst zum Ziel führt.

Weil wir Menschen stets immer die Welt zuerst mit allen Sinnen aufnehmen und dazu gehört das Sehen, brauchen wir das Eselchen mit seinem Reiter, brauchen wir den Geist der hingebungsvollen Liebe Gottes, die uns zum Glauben führt. Die Liebe macht Umwege, treibt manchmal irrwitzigen Aufwand, wie eine Eselsbrücke, aber man kommt doch nur mit der Liebe ans Ziel. Ich denke, wenn wir nahe bei diesem Reiter, seinem Eselchen und in seiner Liebe bleiben, kommen wir über so manche Untiefen hinweg, seien es Klimakatastrophe, Weltwirtschaftskrise oder so manche persönlichen Probleme, die uns schier verzweifeln lassen. Das Wort ESEL kann uns dabei vielleicht selbst eine Eselsbrücke sein: E für EIN, S für SIGNAL, E für ECHTER, L für LIEBE. Prüfen Sie die Geschichte dieses Mannes auf einem Esel gerade in Karwoche, ob man ihm als Gottes Sohn vertrauen kann.

Jesus und der Esel, Ein Signal Echter Liebe!

Amen.

Und der Friede Gottes bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. 

 

(Quelle zur Eselsbrücke: http://de.wikipedia.org/wiki/Merkspruch

zum gekreuzigten Eselsmann: http://www.ekir.de/bitburg/Start/archiv/Kreuz.html)



Autor: Pfarrer Martin Kleineidam