Jesu Zuwendung auch für Fremde

Predigt über Luk 17, 11-19 (10 Aussätzige) und den Altar der Stadtkirche anlässlich seines 400-jährigen Jubiläums



Predigttext

Lukas 17, 11-19:

Und es begab sich, als er nach Jerusalem wanderte, dass er durch Samarien und Galiläa hin zog. Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne und erhoben ihre Stimmen und sprachen:

„Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!“  Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: „Geht hin und zeigt euch den Priestern!“ 

Und es geschah, als sie aufbrachen, da wurden sie rein.

Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter.

Jesus aber antwortete und sprach: „Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde?“  Und er sprach zu ihm: „Steh auf, geh hin, dein Glaube hat dir geholfen“.


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

Liebe Gemeinde

„Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde?“  fragt Jesus in unserem Predigttext. – Was macht den Fremden oder das Fremde aus?  Und was bedeutet es, fremd zu sein?  Da gibt es mehrere Antworten – ich denke, wichtige Kennzeichen sind, dass Fremde oft eine andere Sprache sprechen, anderes essen als Einheimische, teilweise eine andere Kultur oder Religion haben. Manchmal bekommte der Fremde auch zu spüren, dass er nicht dazu gehört, dass er sich von der Mehrheit unterscheidet.

Wir erleben gerade, wie zahlreiche Fremde, Flüchtlinge aus vielen Ländern, Schutz und Hilfe in unserem Land suchen. Gestern sind wieder mehrere Tausend Flüchtlinge in München angekommen und ich habe mich gefreut, wie viele Freiwillige sie willkommen geheißen haben. Es gibt eine erfreulich große Hilfsbereitschaft in Deutschland, aber es gibt auch Angst und Ablehnung. Nun, eine vorsichtige Haltung, Fremdem gegenüber ist zunächst verständlich. Schon im Kindergarten wird den Kindern eingeschärft, niemals in ein fremdes Auto zu steigen, oder mit jemandem zu gehen, den man nicht kennt. Angst vor Unbekanntem zu haben, gehört zum Menschsein dazu. Doch damit möchte ich natürlich nicht die fremdenfeindliche Haltung mancher Deutscher gegenüber Flüchtlingen verteidigen. Meine Mutter war auch Flüchtling. Sie floh als Kind mit Mutter und Bruder aus Pommern zu Verwandten nach Tübingen. Die Menschen, die heute vor Krieg, Bürgerkrieg und Verfolgung fliehen, etwa aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea , sind uns zwar in manchem fremd, doch sie haben oft alles verloren, was sie hatten – manchmal sogar Angehörige – und sie brauchen Hilfe.

 

Schauen wir unsere Geschichte mit dem Fremden genauer an. Auf dem Weg nach Jerusalem kommt Jesus durch das ihm bekannte Galiläa, wo seine Geburtsstadt Nazareth liegt, aber auch durch Samarien, das Gebiet der Samariter oder auch Samaritaner. Hier ist er der Fremde, genauso wie seine Jünger, die ihn begleiten. Denn die Samariter unterscheiden sich in ihrem Glauben von den Juden: Sie lassen nur die fünf Bücher Mose als Heilige Schrift gelten, und das auch nur in eigener Textfassung, v.a. aber ist für sie nicht der Berg Zion in Jerusalem der heilige Ort, wo Gott verehrt werden will , sondern der Berg Garizim in Samaria.

Wo genau das Dorf lag, in dem Jesus die zehn aussätzigen Männer traf, erzählt Lukas nicht, wir wissen nicht wie viele von ihnen Juden, wie viele Samariter waren. Freilich gelten die Reinheitsgebote bei Aussatz, die im 3. Buch Mose Kap. 13 und 14 stehen, für Juden wie Samariter. Dort ist geregelt, wie bei Hausaussatz zu verfahren ist. Ein Erkrankter musste zum Priester gebracht werden, der als Arzt fungierte und ihn gegebenenfalls unrein sprach. Das bedeutete seine soziale Isolation, die Kranken waren vom normalen Leben ausgeschlossen, da sie sich von den anderen fern halten mussten

Mit dem so sprechenden Wort „Aussatz“ ist zum einen die heute so genannte Lepra gemeint, aber zum anderen auch andere Hautkrankheiten, bei denen eine Heilung im Bereich des Möglichen lag. Bei Lepra war Heilung sehr unwahrscheinlich. Nach der Heilung muss man ebenfalls zum Priester, der dann feststellen muss, dass man geheilt und wieder rein ist.

Daher standen die 10 Männer von ferne – sie durften sich Gesunde ja nicht nähern. Man kann sich vorstellen, wie sie aus der Ferne laut riefen: „Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!“  Jesus sagt nun, was den Reinheitsgeboten genau entspricht: „Geht hin und zeigt euch den Priestern!“  Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein.  Als sie im Aufbruch sind, werden sie geheilt.

Es ist sehr verständlich, dass die neun schnell weitergehen, um zu den Priestern zu kommen – sie wollen die von Jesus gebotene Eintrittskarte ins Leben lösen.

Doch einer kehrt um. – Ich hatte die Geschichte bisher so verstanden, dass er sich schon den Priestern gezeigt hatte und dann umkehrt, aber der Text sagt anderes. Während die anderen zu den Priestern gehen, bricht er in lautes Lob aus und kehrt zu Jesus zurück. Damit verstößt er, liebe Gemeinde, gegen das Gebot, sich zuerst einem Priester vorzustellen! Er folgt Jesu Aufforderung, dies zu tun, nicht. Er bricht vielmehr aus der Gruppe aus, die sich an die Regel hält. Nach seinem weithin hörbaren Lob Gottes fällt er vor Jesus nieder und dankt ihm. „Und das war ein Samariter“ heißt es.

Die Hörerinnen und Hörer damals waren vielleicht gar nicht so überrascht, dass es ein Samariter, ein Fremder war, der hier eigenmächtig gegen die Regeln verstieß. Überraschend aber war die Reaktion von Jesus. Er unterstützt die illegitime Handlung, indem er nach den neun fragt, die er ja selbst weggeschickt hatte. Damit wird die Störung überraschend verkehrt. Nicht die Ausnahme stört jetzt, sondern das Verhalten der 90%.

„Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde?“

Einerseits wird der Fremde, der eine andere Religiosität hat, genau benannt – Jesus beschönigt nichts, sondern nennt ihn „fremd“. Andererseits aber hebt er ihn, seinen Glauben, sein Verhalten, als das Richtige hervor. Nicht die, die sich als rechtgläubig verstehen, Jesu  jüdische Glaubensbrüder, werden somit gelobt, sondern der Andersgläubige.

Worum geht es? – Mit der Geschichte macht der Evangelist Lukas klar, worauf es beim Glauben ankommt, wie man das Heil erlangt. Wenn jemand Gottes Willen und sein Heilsangebot erkannt hat und seinen Glauben – auch über einengende Bestimmungen hinweg- in Dank und Tat umsetzt (wie der Samariter), dann handelt er richtig. Auch wenn er in den Augen anderer kein Rechtgläubiger sein mag, so hat er sich doch durch sein Verhalten als wahrhaft Glaubender gezeigt. „Steh auf, geh hin, dein Glaube hat dir geholfen / dich gerettet“. Wer Gott die Ehre gibt, liegt richtig, zeigt die Geschichte, ob er oder sie nun fremd ist oder nicht. Wer aus der Ehrfurcht vor Gott heraus handelt, aus Dankbarkeit für seine Liebe und aus dem Glauben, der handelt recht – egal welcher Glaubensrichtung er angehört.

 

Jesus hat in seinem Leben nicht die Unterschiede hervorgehoben, sondern die Gemeinsamkeiten. Die Liebe Gottes gilt allen – das hat er gelebt, der nicht nur Juden geheilt hat sondern z.B. auch die Tochter einer Syrophönizierin oder den Knecht eines römischen Hauptmanns. Vor Gott ist niemand fremd, alle gehören dazu. Als Zeichen für Gottes umfassende Liebe hatte Jesus auch Tischgemeinschaft mit den verschiedensten Leuten. Mit Armen und mit Reichen wie Zachäus, mit Gott Suchenden, seinen Jüngern und Jüngerinnen, ebenso wie mit Menschen, die gegen Gottes Gebote verstoßen hatten, mit Sündern. Jesus wollte, dass alle Gottes Liebe und Barmherzigkeit spüren.

 

Daher sind auch wir alle, so unterschiedlich wir sind, zum Abendmahl eingeladen. Unser Altar, dessen Jubiläum wir heute feiern, macht seit 400 Jahren die Liebe Gottes auf vielfache Weise deutlich und verweist dabei  auch auf das Heilige Abendmahl. Ganz oben steht das Kreuz – Jesus ist für uns gestorben, aus selbstloser Liebe zu den Menschen – diese christliche Grundüberzeugung drückt sich hier aus, ebenso im darunter angebrachten „Wappen Christi“. - Zu der damaligen Zeit waren Wappen ja wichtig, Sie sehen die Wappen der Altarstifterin Markgräfin Maria und ihres Ehemanns, des Markgrafen Christian rechts und links vom Bildnis des Auferstandenen. – Der Künstler des Schnitzwerks, Hans Werner, hat für Christus ein Wappen erfunden, das übrigens über den markgräflichen angeordnet ist. Auf diesem besonderen Wappen sind Motive aus Jesu Leidensgeschichte zu sehen, in der Mitte ist ein Herz, umgeben von Händen und Füßen mit den Wundmalen. Auch hier wird also Gottes Liebe zu uns ganz plastisch, nicht zuletzt durch die angedeutete Auferstehung: links unterhalb des roten Herzens sieht man ein weißes offenes Grab, und direkt über dem Wappen ist neben Leidenswerkzeugen wie einer Säule mit Geißel (links) und der Dornenkrone mit Kreuz und Leiter (rechts) das rote Siegesfähnchen mit goldenem Kreuz in der Mitte zu sehen. Das große Bild des Auferstandenen ist übrigens  wie auch die Apostel Paulus und Petrus und die Szene von Jesus in Gethsemane vom Maler August Riedel. Diese Bilder kamen erst vor 200 Jahren in den Altar, da die ursprünglichen Gemälde abgeblättert waren.

Dass überhaupt so viele Bilder und Darstellungen in unseren lutherischen Kirchen sind, ist nicht selbstverständlich: Die reformierten Theologie nimmt das 2. Gebot „Du sollst dir kein Bild von Gott machen“ so ernst, dass sie alle gegenständlichen Darstellungen vermeidet – um Gott Vater oder Jesus nicht auf eine bestimmte Vorstellung festzulegen. Lutherische Theologen argumentieren dagegen, so etwa Generalsuperintendent Dr. Christoph Schleupner, der vor 400 Jahren den Altar einweihte und eine ausführliche Predigt dazu hielt. Bilder dienten dazu, sagte Schleupner, „dass wir uns dabei an die biblischen Geschichten von den Wohltaten Gottes, auch die Tugenden heiliger Leute erinnern.“ Und er führt aus, dass die Menschen, die nicht lesen können, auf diese Weise die frohe Botschaft vermittelt bekommen.

Eine weitere Darstellung, die die Liebe im Zentrum hat, ist der Pelikan mit seinen Jungen. Sie sehen ihn direkt unter dem Wappen Christi (man sieht ihn auch in manchen anderen Kirchen) Dieser Vogel hat seinen Hals nach unten zu seinen Jungen gebogen – die Menschen damals dachten, er reißt sich das Herz heraus und füttert damit seine Kinder. Von daher sahen sie ihn als Symbol für Jesus selbst.

Ein wesentliches Zeichen der Liebe und des Für-uns- Dasein Gottes ist das Abendmahl. Links von der Pelikangruppe sind die Worte, die Jesus beim letzten Mahl mit seinen Jüngern sprach: „Esset, das ist mein Leib, der für Euch gegeben wird. Und rechts die entsprechenden Worte zum Kelch (Trinket alle daraus, das ist mein Blut, das für euch vergossen wird).

Im Anschluss ans Abendmahl war Jesus damals mit seinen Jüngern im Garten  Gethsemane. Das sehen wir auf dem Hauptbild des Alters. Jesus bittet seinen Vater, den Kelch an ihm vorübergehen zu lassen, und fährt fort „aber nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe“. Die Jünger schlafen. 

Die Muscheln, die Sie hinter den schwarzen Säulen erkennen können, sind m.E. Pilger-Zeichen; die Stadtkirche ist ja Pilgerkirche und das Zeichen des Hl. Jakobis ist die Muschel.

Auf der untersten Ebene ist nun ein Abendmahls-Bild im Stil von Leonardo da Vinci. Das Gemälde hat der Hofmaler Immanuel Schuhmacher angefertigt, auch vor etwa 200 Jahren. Ebenfalls auf das Heilige Mahl bezieht sich schließlich noch die linke der beiden Kartuschen; das sind die kleinen runden beschrifteten Bilder mit Goldrahmen links und rechts von der Abendmahlsszene. Links stehen Worte aus 1. Kor 11., eine Warnung  davor, das Mahl unwürdig zu gebrauchen. Insgesamt ist der reich verzierte Altar, liebe Gemeinde, also seit 400 Jahren eine Einladung an Gottes Tisch – in der rechten Haltung – und ein Zeugnis für Gottes Hingabe für uns.

 

Aus Gottes Liebe und Barmherzigkeit heraus leben wir. Ein grundlegendes Gebot, das nicht nur die christlichen Konfessionen sondern alle großen Religionen verbindet, ist das Gebot der Barmherzigkeit gegenüber Notleidenden. (Letzten Sonntag haben wir vom Barmherzigen Samariter gehört). Die Menschen in unserer Stadt und in unserem ganzen Land, die sich – mit welchem religiösen oder anderem Hintergrund auch immer- für Flüchtlinge einsetzen, sind sehr zu würdigen. Da bringen viele ihre Zeit und Kraft ein, um das Leid derer zu lindern und denen zu helfen, die aus der Fremde kommen, aber so manches Mal von Fremden zu Freunden werden.

„Nicht die Quantität der Flüchtlinge, die nach Europa kommen, ist historisch, sondern die Qualität der Zuwendung, mit der viele ihnen begegnen“, schrieb Carolin Emcke in der Süddeutschen Zeitung von diesem Wochenendde.

Die, die wegen der Flüchtlinge Angst haben, kann man an vielen Punkten beruhigen. Etwa darin, dass Fremde Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen würden; das ist nicht der Fall, weil das gesetzlich geregelt ist. Die Südd. Zeitung hat am 27. 8.15 in dem Artikel „Was Flüchtlinge bringen“  Zahlen und Fakten veröffentlicht. Nur 0,9 % aller Asylbewerber arbeiten in Vollzeit, einen Teilzeitjob haben gerade mal 1,5%. Das liegt an den hohen Hürden.  Flüchtlinge, deren Antrag noch läuft oder die nur geduldet sind, dürfen zunächst nicht arbeiten. Wenn Ausländerbehörde und Arbeitsagentur zustimmen, dürfen sie nach 3 Monaten einen Job suchen. Doch wenn ein Deutscher oder ein anderer EU-Bürger für die Stelle in Frage kommen, haben sie keine Chance darauf.

Angesichts der Überalterung bei uns fordern nun Vertreter der Wirtschaft nicht nur bei uns in Oberfranken, wo ja 2000 Lehrstellen unbesetzt geblieben sind, dass Zuwanderern Ausbildung und Arbeit ermöglicht wird. Deutschlandweit waren es 37 101 Ausbildungsstellen, die nicht besetzt werden konnten. Daher ist Zuwanderung für unseren Arbeitsmarkt wichtig, wie sie sagen.

Ich denke, wir stehen in Deutschland und in Europa einerseits vor einer großen Herausforderung – Flüchtlinge, Fremde, brauchen Unterstützung, brauchen Räume für die Unterbringung, - zum anderen sind sie aber auch eine große Chance, nicht nur für den Arbeitsmarkt.

Jesus jedenfalls hat die für ihn und sein Volk fremden Menschen gewürdigt, ihren Glauben, ihr großes Vertrauen. „Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden“  sagt er im Blick auf den römischen Hauptmann, der für seinen kranken Knecht gebeten hatte. Und eben zum Samariter:  „Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde?“  Und er sprach zu ihm: „Steh auf, geh hin, dein Glaube hat dir geholfen“.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




 



Autor: Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam