Wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung

Predigt am Sonntag Quasimodogeniti (1.So. nach Ostern) über 1.Petrus 1, 3-9


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde,

vor einer Woche, an Ostern, haben wir die Auferstehung von Jesus Christus gefeiert, gerade haben wir „Er ist erstanden von dem Tod“ gesungen. Dass Jesus auferstanden ist, ist für unsere Vernunft schwer begreiflich. Manche fühlen sich vielleicht dem Jünger Thomas nahe, der – wie wir vorhin in der Lesung gehört haben (Joh 20, 19-29) – den anderen nicht glaubte, als sie ihm erzählten „Wir haben den Herrn gesehen“.

Doch für die Auferstehung gibt es viele Zeuginnen und Zeugen. Der Apostel Paulus führt sie im 1. Korintherbrief  im 15. Kapitel auf. Dabei erwähnt er die Frauen nicht mal, weil sie damals als unsichere Zeugen galten. Dafür aber Petrus, die Zwölf, 500 weitere Brüder, Jakobus, alle Apostel und zuletzt sich selbst. Und dass etwas Außergewöhnliches damals passiert ist, dafür spricht, dass die zunächst verzweifelten Jünger Mut fassten und schließlich in alle Welt hinausgingen, um die frohe Botschaft zu verbreiten. Deshalb feiern auch wir heute Gottesdienst.

Was verbinden wir nun persönlich mit der Osterbotschaft „Christus ist auferstanden“ ? Was bedeutet das für unser Leben, unsere Haltung zum Leben?

Für die Schriftstellerin Marie-Luise Kaschnitz ist die Auferstehung nicht nur eine Zukunftshoffnung für das Leben nach dem Tod. Eines ihrer Gedichte heißt  

„Auferstehung“. Sie schreibt:

 

Manchmal stehen wir auf,

stehen wir zur Auferstehung auf

Mitten am Tage

Mit unserem lebendigen Haar

Mit unserer atmenden Haut

Nur das Gewohnte ist um uns.

Keine Fata Morgana von Palmen

Mit weidenden Löwen

Und sanften Wölfen

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken.

Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.

Und dennoch leicht,

Und dennoch unverwundbar

Geordnet in geheimnisvolle Ordnung,

vorweggenommen in eine Haus aus Licht.

Kaschnitz meint also, Auferstehungserfahrungen können sich in alltäglichen Situationen ereignen. „Mitten am Tag“, wenn wir überhaupt nicht damit rechnen. Nicht dass alles plötzlich ganz anders ist, dass wir im Paradies unter Palmen leben, von zahmen Löwen umgeben. Äußerlich betrachtet ist alles beim Alten. „Und dennoch unverwundbar…vorweggenommen in ein Haus aus Licht“; wir spüren eine geheimnisvolle Kraft, die nicht von uns herrührt und die uns trägt. Ich finde es schön, dass die Worte von Kaschnitz die Auferstehung in unser Leben mithinein holen.

Dass es mitten im Leben „Auferstehungshoffnung“ gibt, davon handelt auch unser Predigttext, der gegen Ende des ersten Jahrhunderts verfasst ist und an Gemeinden in Kleinasien gerichtet ist. Die Menschen dort fühlen sich gering geschätzt und fremd in einer Umgebung, in der die Begeisterung für die frohe Botschaft abklingt und wo sie als christliche Minderheit leben. Um ihnen Mut zu machen, wählt der Verfasser, der unter dem Namen des Jüngers Petrus schreibt, eindrucksvolle Hoffnungsbilder. Sie klingen in unseren Ohren teilweise fremd, beziehungsweise: Die griechische Schriftsprache damals war sehr komplex mit langen Sätzen, sodass es für uns nicht so leicht ist, die Aussagen zu begreifen: Ich lese 1. Petr. 1, 3-9:

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unverwelklichen Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, die bereit ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit.

Dann freut ihr euch, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in manchen Anfechtungen, damit euer Glaube als echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn Jesus Christus offenbart wird. Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und ihr glaubt  an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht;  ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit.

„Wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung“ -  diese Worte des Predigttextes haben mich besonders angesprochen. „Wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung“– das haben die Jüngerinnen und Jünger nach Jesu Kreuzigung erfahren. All ihre Hoffnungen schienen am Kreuz zerstört worden zu sein, doch die Begegnung mit dem Auferstandenen ließ sie aus der Trauer zu neuem Leben erwachen. Was damals genau geschah, können wir nicht mehr erheben, wohl aber das, was es weltübergreifend ausgelöst hat; „Auferstehung“ als lebensspendende Kraft Gottes. Und sie ist nicht nur ein vergangenes oder zukünftiges Ereignis, sondern ein immer wieder neu gegenwärtig, sie kann unserem Leben immer wieder eine neue Wende geben kann – „mitten am Tage“.

„ Er hat uns wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung“, durch die Taufe sind wir wie neugeboren – das spricht der Briefschreiber den jungen Christen zu, die offensichtlich einiges aushalten müssen. Er nennt ihre Anfechtungen beim Namen und beschönigt auch nicht, dass sie traurig sind. Aber er spricht von der Freude. Von der Freude, die hier schon beginnt und ihren Grund in der Zukunftshoffnung hat: der Hoffnung auf die Seligkeit. Die Freude schillert gewissermaßen zwischen Gegenwart und Zukunft. „Dann freut ihr euch, die ihr jetzt eventuell eine kleine Zeit traurig sein in manchen Anfechtungen, damit euer Glaube als echt (…) befunden werde.“ Und: „Ihr werdet euch aber freuen mit (…) herrlicher Freude, wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich die Seligkeit der Seelen.“

Hier wird das Ziel vor Augen geführt, wenn wir einst das schauen, was wir geglaubt haben. Aber wir werden nicht nur auf die Zukunft vertröstet, sondern  der Verfasser macht klar: Gottes Heil schwingt aus der Zukunft schon  in unsere Gegenwart hinüber.

„Wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung“ – liebe Gemeinde, da habe ich Menschen vor Augen, Christen, die solch eine Hoffnung ausstrahlen oder zu ihren Lebzeiten ausgestrahlt haben. Vom ersten weiß ich nicht, ob er Christ ist, aber er verströmt offenbar sehr viel Hoffnung: Der 28- Jahre alte Trainer Julian Nagelsmann, der seit kurzem Hoffenheim trainiert und die Spieler mit seiner Leidenschaft und Hoffnung ansteckt, sodass sie wie ausgewechselt sind. Mal sehen, ob die Mannschaft von den Abstiegsplätzen wegkommt…

Vom zweiten weiß ich sicher, dass er Christ war: der kürzlich verstorbene Mesner aus dem Dorf, wo wir früher gewohnt haben. Er war in seiner zweiten Lebenshälfte mehrere Jahrzehnte eine lebendige Hoffnung, gerade auch für Suchtkranke. Denn er rutschte in jungen Jahren immer tiefer in die Alkoholsucht. Doch von seiner Frau, die sich um die fünf Kinder weitgehend alleine kümmern musste, schließlich vor ein Ultimatum gestellt, schaffte er es, nach einer Entziehungskur trocken zu bleiben. Das geschah mit Hilfe des Blauen Kreuzes, einer christlichen Selbsthilfegruppe. Seit damals war der Glaube ein wichtiger Bestandteil seines Lebens. Auch dass er so offen mit seiner Krankheit bzw. Sucht umging, war Vorbild für andere in seiner Umgebung – und lebendige Hoffnung.

Ich habe weitere Christen vor Augen, die lebendige Hoffnung ausstrahlten oder noch ausstrahlen und für die man Gott wirklich loben kann: Sie sind oder waren aus Gemeinden meiner Kindheit und Jugend (also im Südwesten), aus Gemeinden in München, im Altmühltal und in Mittelfranken – und aus unserer Gemeinde hier. Es sind oft Menschen, die Leid oder Anfechtung kennen und die trotzdem oder gerade deswegen Zuversicht ausstrahlen. Das können lebenslustige Leute sein, die „mitten am Tag“ zur Auferstehung aufstehen. Ich denke aber ebenso an eher stille Menschen, wo man spürt, dass ihr Glaube, ihre Auferstehungshoffnung sie trägt.

Auch Marie-Luise Kaschnitz und viele andere Künstlerinnen und Künstler verströmen diese lebendige Hoffnung. Einen möchte ich noch herausgreifen, der sehr wortgewandt war und trotz seiner Bekanntheit bescheiden: den Kabarettisten, Christen und Menschenfreund Hanns Dieter Hüsch. Uwe Seidel beschrieb ihn als „ehrlichen Bekenner, der seine Botschaft den vorgefassten Vorurteilen entgegensetzt.“  Hüsch hat in für mich vorbildlicher Weise Glaube und Hoffnung aufs Jenseits, auf die „Seligkeit der Seelen“, mit Menschenliebe und Hoffnung fürs Diesseits verbunden. Das zeigt sein „Psalm“, den ich nun zum Schluss noch lesen möchte:

Ich bin vergnügt

erlöst

befreit

Gott nahm in seine Hände

Meine Zeit

Mein Fühlen Denken

Hören Sagen

Mein Triumphieren

Und Verzagen

Das Elend  

Und die Zärtlichkeit

 

Was macht daß ich so fröhlich bin

In meinem kleinen Reich

Ich sing und tanze her und hin

Vom Kindbett bis zur Leich

 

Was macht daß ich so furchtlos bin

An vielen dunklen Tagen

Es kommt ein Geist in meinen Sinn

Will mich durchs Leben tragen

 

Was macht, daß ich so unbeschwert

Und mich kein Trübsinn hält

Weil mich mein Gott das Lachen lehrt

Wohl über alle Welt

Liebe Gemeinde, ich wünsche uns diese Hoffnung auf Gott, der unsre Zeit in Händen hält und von den Toten auferwecken kann.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsre Vernunft, bewahrt unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.



Autor: A.-K. Kapp-Kleineidam