Hoffnung für Gegenwart und Zukunft

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Matthäus 18,2-5


„(2) Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie (3) und sprach: „Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. (4) Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. (5) Und wer ein solches Kind auf nimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.“

 

I. Fröhliche Ballonfahrt

 

Liebe Gemeinde,

 

Der Buß- und Bettag gibt Hoffnung für Gegenwart und Zukunft. Diese Aussicht bietet der Sticker (Luftballon, Button oder Flyer), den Sie vor sich haben. Wir sehen ein junges Mädchen, wie es uns oftmals in den Fußgängerzonen der Städte begegnet. An irgendeinem Stand hat es einen mit Gas gefüllten Luftballon erhalten und freut sich an diesem wunderbaren Geschenk. Da fliegt etwas ohne sein Zutun einfach in der Luft und wird nur durch eine Schnur gehalten.

Als Kind habe ich mir vorgestellt, dass man mit etwa 50 dieser Gasträger auf und davon fliegen kann wie die Vögel unter blauem Himmel. Auf unserem Sticker sind bei unserem Sprössling lediglich drei Ballons nötig, um die irdische Schwerkraft aufzuheben. Die Ballons scheinen mit einem besonderen Gas gefüllt zu sein.

Das Bild jedenfalls atmet fröhliche Leichtigkeit und Freiheit. Das Kind mit den drei Luftballons zeigt uns aber nicht nur einen jungen Menschen unserer Gegenwart in den Fußgängerzonen sondern auch die zukünftige Generation. Wenn man so möchte ist das Mädchen wie viele unsere Kirchen geostet. Das Kind in rotem Gewand fliegt quasi mit dem Westwind ins Morgenland, dorthin, wo die Sonne aufgeht. Es treibt mit den Wolken der Zukunft entgegen. In dem Kind sehen wir die Zukunft.

 

II. Wolken der Gegenwart

 

Der Himmel ist zwar blau aber nicht ungetrübt. Wolken finden sich am Firmament. Vieles könnte man in die Wolken hineinlegen, was die Zukunft unserer Jugend beschwert: Der eine mag die hohe Jugendarbeitslosigkeit in weiten Teilen Europas als dunkle Wolke deuten; ein anderer vielleicht Armut, Krieg und Hunger in der weiten Welt, der viele junge Menschen aus Afrika und Asien an die europäischen Küsten spült. Und wieder ein anderer sieht vielleicht in den Wolken Rationalisierung und wirtschaftliche Interessen, die vielen Jugendlichen die freie Luft zum Atmen rauben wollen.

Der Himmel, in den das junge Mädchen fliegt, steht einmal für das Wetter. Über diesen Tag könnte es im Wetterbericht heißen: „Sonnig mit vereinzelten Wolken“. Der Himmel auf diesem Bild steht aber auch für das Klima als Summe vieler Wetterberichte.

Ein prima Klima hat auch der Wunsch „Gib dem Bußtag autofrei“ vor Augen, der sich unter dem Bild findet. Behutsam also lässt das Kunstwerk der diesjährigen Bußtagsaktion den Klimawandel anklingen. Kein erhobener Zeigefinger macht auf dieses Problem aufmerksam. Die duftigen Wolken machen das Bild leicht, obwohl wir längst wissen, dass unsere beruflich und privat genutzten Autos neben der Ölheizung im Winter die Zukunft unserer Kinder schwer belasten. Schon die Evang.-Luth. Landessynode in Bayern hat 2009 in Bad Windsheim erkannt, dass ein ungebremster Ausstoß klimaschädlicher Gase wie Kohlendioxid (CO2) das Weltklima so beeinträchtigt, dass wir unseren künftigen Generationen eine nahezu unbewohnbare Erde hinterlassen, wenn wir nicht umlenken. Doch zwischen Wissen und Tun des Richtigen liegt ein – um im Bild zu bleiben –himmelweiter Unterschied. Das Logo der Bußtags- Kampagne erinnert an Jesus, von dem in Matthäus18,2-5 erzählt wird:

 

„(2) Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie (3) und sprach: „Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. (4) Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. (5) Und wer ein solches Kind auf nimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.“

 

III. Kind werden heißt nicht naiv oder irrational werden

 

„Wie die Kinder werden“ das heißt in Jesu Worten nicht, dass man naiv sein soll, dass man z. B. mit drei echten Gasballons in die Zukunft käme. „Wie die Kinder werden“ heißt auch nicht, von ihnen durch den Verstand unverstellte Gefühlsäußerungen wieder zu erlernen. Wie nützlich diese Erkenntnis z. B. für Theaterwissenschaften auch sein mag, meinte der Nazarener doch etwas anderes. Kind werden heißt nicht naiv oder irrational sein.

 

IV. In Liebe gerufen, zur Nachfolge bereit, Hoffnung stiften

 

Der Bußprediger rief ein Kind zu sich, heißt es. War dies gerade unterwegs zu einem Spiel mit anderen? Oder war es - als in der Antike rechtloses Wesen - ganz im Dienst der Eltern unterwegs? Oder stand es nur einfach mit erwartungsvollen Augen vor der Ansammlung der Jünger? Wir waren bei dieser Szene nicht dabei, aber indirekt wissen wir drei Dinge von diesem Kind:

1. Es hörte auf den Zuruf Jesu. Nicht jedes Kind hört, wenn man es ruft. Wenn ein Kind kommt muss in dem Ruf schon etwas mitschwingen, das Vertrauen in sich birgt. Mehr noch, ein Kind hört dann, wenn es ernst genommen wird und Zukunft eröffnet bekommt. Auf einen solchen Liebesruf kommt sogar ein Kind, das sich aus Kummer zurückgezogen hat. Der rote Luftballon auf unserem Bild steht für mich für den Liebesruf Gottes.

2. Das Kind, das Jesu zu sich gerufen hatte, zeigte bei dem Sohn Gottes keine Angst. Es gab alle Tätigkeiten auf, die es gerade im Sinn hatte und kehrte um. „Wie die Kinder werden“ heißt eben nicht, eigensinnig auf seinem Weg beharren, wie so mancher Mensch, der zwar landauf landab vom Klimawandel gehört hat, so dass er davon schon gar nicht mehr hören kann, der aber sein Verhalten nicht ändern will. „Sollen doch die anderen..." - Umkehr (Metanoia) meint, von seinem bisherigen heillosen Weg ablassen und sich in die Gemeinde Christi stellen lassen. „Sich selbst erniedrigen “– wie wir bei Matthäus lesen – meint, persönliche Engführungen hinter sich lassen und Jesus nachfolgen. Nachfolge heißt heute, der Schöpfung, wie sie uns mit den Kindern entgegen kommt, mit Fürsorge begegnen. Heute am Buß- und Bettag einmal damit anfangen und beispielhaft und versuchshalber auf das Auto verzichten. Dittrich Bonhoeffer hat ja der Nachfolge ein ganzes Buch gewidmet. Der violette Luftballon steht für mich für diese freiwillige Umkehr und einsichtige Nachfolge.

3. Das uns namentlich unbekannte Kind ließ sich bereitwillig in die Mitte der Nachfolger Jesu stellen. Nicht an den Rand wurde es bugsiert, nicht nach Hause geschickt, nicht abgeschoben. Es bekam den Ehrenplatz der Aufmerksamkeit, weil es etwas hatte, was uns älteren Menschen bisweilen abhandenkommt: Hoffnung. Das Kind auf dem Bild der Aktion „Gib dem Bußtag autofrei“ hat offene Augen. Das zeigen die nach oben geschwungenen Augenbrauen. Menschen, die trotz mancher Wolken Hoffnung schenken können, bekommen Aufmerksamkeit in der Gesellschaft. Für diesen Ehrenplatz der Hoffnungs - Stifter steht für mich der gelb-goldene Luftballon. Der gelbe Luftballon sagt mir: Nimm einen Ehrenplatz in der Gesellschaft ein, weil Du Hoffnung zu geben vermagst. Denn getragen von Gottes Liebe, triffst Du Fürsorge für die Kinder und die Schöpfung Gottes.

 

Die drei Farben des Ballons spiegeln sich in den Haaren, im Kleid und in den Schuhen wieder. Das abgebildete Kind trägt Liebe, Umkehr bzw. Nachfolge und Zukunft in sich. - Werde wie dies Kind und du wirst der Größte im Himmelreich - meint Jesus.

 

V. Den Ruf der Aktion hören und in flexibler und kreativer Weise mobil werden

 

„Wie das Kind von damals werden“ meint heute, sich zuallererst, von Jesus herausrufen lassen, aus den Dingen, die uns Größe versprechen. Denn darum, wer der Größte im Himmelreich ist, ging es ja schon damals. Bei uns gilt, wer der Größte sein will, hat die meisten "PS", das neuste Auto, am besten ein Hybrid-Modell oder fährt ganz mit Elektroantrieb. Letzteres scheint Zukunft zu haben. Aber wenn man die gesamte Flotte der Autos von heute auf morgen in Elektroautos umwandelte, wird der Strom, den man bisher aus erneuerbaren Energien gewinnt, wieder aufgebraucht (Rebound-Effekt). Es würden Gas -, Kohle - und Kernkraftwerke notwendig bleiben, die doch zu echten Zukunftsproblemen geworden sind. Es gilt, sich aus Liebe, aus Liebe zu unseren Kindern herausrufen zu lassen und nicht meinen, Probleme der Technik mit noch mehr Technik beheben zu können. Wenn man sich den Flyer der Aktion anschaut, erschallt der Ruf mit freundlichen Gesichtern vom Arbeitskreis Evangelische Erneuerung, der Bayerischen Evangelischen Umweltstiftung, dem Bund Naturschutz Bayern und der Einrichtung unserer Bayerischen Landeskirche „Umwelt und Klimaarbeit“. Beeindruckt hat mich einer der Vertreter, der seit 20 Jahren mit seiner vielköpfigen Familie auf das Auto ganz verzichtet hat. Für Menschen auf dem Land wird das wohl gegenwärtig nur schwer umzusetzen sein. Obwohl da z. B. in Hessen oder Mecklenburg - Vorpommern mit Dorfautosystemen, Express- und Nachtbussen in Kombination mit Elektrofahrrädern und Mitfahrzentralen andere Möglichkeiten bereits versucht werden.

Im städtischen Raum sind bei Strecken unter 5 Kilometern Fahrräder in der Regel die schnellsten Verkehrsmittel. Selbst Autofirmen denken da gegenwärtig um und bieten Autoteilen sogenanntes „Carsharing“ an. Wer braucht auf Dauer auch ein eigenes, teures „Stehzeug“ auf einem kostspieligen raren Parkplatz. Umkehr und Neuanfang der Kinder zu liebe wird vorgemacht. Lassen Sie sich einladen, es nachzumachen, flexibel oder kreativ in der Mobilität zu werden – wie die Kinder. Schauen Sie sich mal an wie unterschiedlich mobil die sind: Da gibt es neben dem klassischen Hüpfen und Fahrradfahren, Offroad-/Cross-Skates oder Waveboard-surfen. Diese Mobilität der Jugend steht uns Erwachsenen wohl kaum vor Augen. Aber sie zeigt doch, wie einfallsreich der Mensch in der Fortbewegung ist, ohne die Schöpfung zu sehr zu belasten.

Heute denke ich da an Menschen in meiner ehemaligen ländlichen Gemeinde in Westmittelfranken zurück. Etliche haben bei einem Sportausstatter gearbeitet und mussten täglich viele Kilometer bis zu ihrer Arbeitsstätte zurücklegen. Manche von ihnen haben den gleichen Fahrtwege zur Arbeit entdeckt. Sie riefen sich an, wie sich viele Kinder heute mit ihren Smartphones anrufen, trafen sich unter einer Autobrücke, ließen ihr Auto stehen und bildeten eine Fahrtgemeinschaft. Geld gespart haben sie und sie haben ganz von selbst und sehr vernünftig ihren Kindern einen echten Dienst erwiesen. Doppelte und dreifache Verpestung des Klimas haben sie vermieden, ohne dass sie gleich zu Säulenheiligen geworden wären, die im 5./6. Jahrhundert ihr Leben bewegungslos auf den Kapitellen von antiken Säulen fristeten. - Sich anrufen, den Arbeitstag gemeinsam beginnen und sich zusammen auf den Weg machen, das kann das Leben sehr erleichtern und verschönern.

Werdet wie die Kinder Gottes, ruft uns der Kinder- und Menschenfreund Jesus zu. Werdet wie die Kinder - in Liebe gerufen und zur Umkehr bereit, um Jesus nachzufolgen und Hoffnung weiterzugeben. Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

 

Martin Kleineidam, Pfarrer an der Stadtkirche Bayreuth und Sprecher des Arbeitskreises Evangelische Erneuerung (aee)



Autor: Pfarrer Martin Kleineidam