Engel Gottes

Lukas 1, 8-13; 26-31; Lukas 2, 8-11


„Engel Gottes“, Predigt über Luk 1, 8-13.26-31 u. Lk 2, 8-11 am 26. 12. 14 in der (kath.) Schlosskirche Bayreuth

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde!

Für besondere Botschaften und Anlässe schickt Gott seine Engel. Zu Maria kommt der Engel Gabriel, um ihr Jesus anzukündigen. Zu den Hirten kommt ebenfalls Gottes Engel, um ihnen die Geburt des Retters zu verkünden. Die Engel sind Boten – sowohl das hebräische Wort „malach“ als auch das griechische „angellos“ bedeuten Engel und Bote.  Das griechische „euangellion“, auf  deutsch: Evangelium, die gute Botschaft, hat denselben Wortstamm wie „angellos“ Engel.

Freilich kann man Gottes Boten oder Engel als irrational, als Hirngespinst abtun, ebenso wie man den Glauben an Gott als kindisch und unvernünftig bezeichnen kann. Etwa mit dem Argument: Alles, was sich naturwissenschaftlich nicht beweisen lässt, das gibt es nicht. – Wir sind jedoch hier versammelt, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, weil wir ahnen, dass es hinter dem, was man mit menschlichen Methoden messen kann, noch mehr gibt. (Davon sind übrigens auch nicht wenige Wissenschaftler überzeugt). Walter Nigg, der ein Buch über Engel herausgegeben hat, sagt: „Die Bibel zeugt von einer Wirklichkeit, die unser rationales Denken weit überragt.“

Wir sind hier, weil wir die biblische Botschaft vom Heil, das uns durch das Krippenkind zuteilwird, wahrnehmen und ernst nehmen. – Die christlichen Märtyrer wie Stephanus, dessen wir heute bes. gedenken, sind für ihren Glauben sogar in den Tod gegangen. Wir haben bei uns wegen unserer Religion keine Gefahr zu befürchten, das ist in anderen Ländern leider anders. Wir können uns in Ruhe drei (weihnachtliche) Texte aus Luk 1 und 2 anschauen, in denen Engel vorkommen:

 

Ich lese Luk 1, 8-13, die Ankündigung von der Geburt Johannes´ des Täufers  nach der Einheitsübersetzung: Eines Tages, als Zacharias den Priesterdienst vor Gott versah (…) fiel ihm die Aufgabe zu, im Tempel des Herrn das Rauchopfer darzubringen. Während er nun zur festgelegten Zeit das Opfer darbrachte, stand das ganze Volk draußen und betete. Da erschien dem Zacharias ein Engel des Herrn; er stand auf der rechten Seite des Rauchopferaltars. Als Zacharias ihn sah, erschrak er, und es befiel ihn Furcht. Der Engel aber sagte zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört, und deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Johannes geben.“  Und der Engel weissagt noch mehr über den späteren Johannes den Täufer, etwa, dass er viele vom Volk Israel zum Herrn, ihrem Gott, bekehren werde.

 

Hören wir nun den Anfang des Textes, der auch auf unzähligen Bildern dargestellt wurde, die Ankündigung von Jesu Geburt, Luk 1, 26ff: „Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Joseph verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist  mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden.“

 

Und nun noch die Verse aus Luk 2 nach Jesu Geburt (V8-11): „Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; in sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk wieder fahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr in der Stadt Davids.“

 

Was ist das Gemeinsame bei diesen Engelsbegegnungen?

Der Bote Gottes beruhigt die Besuchten, die vor ihm erschrecken, und bittet sie, sich nicht zu fürchten. Danach verkündigt er die Botschaft Gottes. Bei unseren drei Texten ist das jeweils die Ankündigung eines Kindes. - Wenn sich ein Kind ankündigt, ist das immer etwas Besonderes, für die meisten ist es ein großes Glück und Geschenk. Bei Johannes und Jesus nun ist es sogar noch mehr, weil sie weit über ihre Familie hinaus gewirkt haben. Ja, mit Jesu Geburt ist Gottes umfassendes Heil in die Welt gekommen, er ist nicht nur für die Kranken und Schwachen seiner Zeit ein Retter, sondern auch unser Erlöser und Heiland. Für diese besondere, Freude bringende Botschaft brauchte es Engel.

 

Oft sind die Boten Gottes auch Helfer: Joseph erschien ein Engel im Traum, der ihm auftrug, Maria als Frau zu sich zu nehmen; und später nach Jesu Geburt sagte der Engel ihm im Traum, dass er mit Maria und dem Kind nach Ägypten fliehen solle. Schon im Alten Testament traten Engel als Retter auf – z. B. auch bei einer Mutter mit Kind: Als Hagar mit ihrem Sohn Ismael von Abraham in die Wüste geschickt wurde, da wurden die beiden von einem Engel gerettet. Und Elia, der sich zum Sterben in die Wüste zurückgezogen hatte, wurde von einem Engel gestärkt, sodass er seinen Weg fortsetzte.

 

Das sind nun alles Geschichten von Engeln damals. „Was ist mit Engeln heute?“ fragt sich vielleicht der eine oder die andere.

Wilhelm Bartmann hat eine Geschichte geschrieben, der er die Überschrift „Engelsdienst“ gab. Ich lese sie in leicht gekürzter Fassung:

„Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich nach ziemlich anstrengenden Arbeitswochen Heiligabend ins Lipperland fuhr, um  meinen Bruder zu besuchen. Am 24. morgens fing es an zu schneien. Von Beilefeld aus waren einige Leute mit mir im Zugabteil zusammen. Wir kamen ins Gespräch. Von Station zu Station wurden es weniger und als der letzte ausstieg sagte er: „Also wenn der Zug jetzt an der nächsten Station wieder hält, dann müssen Sie schnell aussteigen.“  Der Zug fuhr weiter, doch nicht lange, da ruckte er plötzlich – und stand. Ich öffnete die Tür – noch immer dichtes Schneetreiben. Ich schaute nach unten  - der Zug war ziemlich lang- und dachte: So ein kleiner Bahnhof wird keinen so langen Bahnsteig haben. So kletterte ich herunter, einen Koffer in der Hand, eine Tasche über die Schulter gehängt. Der Zug  fuhr wieder an, da schrie ich: Halt, hier ist ja gar kein Bahnhof! Ich muss noch mit! Aber der Zug war schon im Rollen. Ein Aufspringen war unmöglich. Da stand ich nun und sah nur noch die roten Lichter verschwinden. Was sollte ich jetzt machen?

Ich stapfte durch den Schnee, immer an den Gleisen entlang, mit dem Gepäck die Balance haltend und immer noch mit einem Ohr nach hinten hörend, um nicht überrollt zu werden. Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen, denn aus dem Schatten hatte sich eine Gestalt gelöst. Ich erschrak. Was machte um diese Zeit hier ein Mensch? Ich rief die Gestalt an. Keine Antwort! Ich begann weiterzugehen, und da bewegte sich der Schatten auch wieder – kam den Bahndamm entlang und ich erkannte in der weiten Einsamkeit einen Mann mit tif ins Gesicht gezogenem Hut und Lodenmantel. „Hallo! Wer sind Sie? – Ich bin zu früh aus dem Zug gestiegen und laufe jetzt schon die ganze Zeit an den Schienen entlang. Ich möchte nach H. – können Sie mir helfen?

Als Antwort brummte er etwas in sich hinein, nahm dann aber meinen Koffer und wir gingen gemeinsam von den Schienen zu einer Straße hin. In meiner Freude, einen helfenden Menschen gefunden zu haben, sprudelte es nur so aus mir heraus: „Wie froh und dankbar bin ich, dass Sie hier waren. Sie schickt mir der Himmel. Ich weiß nicht, ob ich es allein bis nach H. geschafft hätte. Welch ein Glück, dass wir uns getroffen haben“.  Mein Begleiter sagte immer noch nichts. Ich wollte sein Schweigen respektieren und sagte auch nichts mehr. Nach ein paar hundert Metern kamen wir um eine Straßenkurve, doch stand ein Auto. „Ist wohl Ihres!“ sagte ich. Er nickte; dann öffnete er den Kofferraum., legte mein Gepäck hinein, und mit einer Handbewegung – wieder ohne ein Wort – öffnete er die Tür zum Beifahrersitz und ließ mich Platz nehmen. Er setzte sich ans Steuer und wir fuhren auf der verschneiten Straße langsam voran.

Plötzlich, ganz unvermittelt, fragte er mich: „Glauben Sie an Engel?“ Ich war perplex. Nach so langem Schweigen jetzt solch eine Frage. „Ja, schon, erwiderte ich. „An so einem Abend, da ist einem das ja auch viel näher als sonst. Jetzt wo die Weihnachtsgeschichte gelesen wird, von den Hirten und den Engeln. Er unterbrach mich: „Glauben Sie an Engel heute?“ – Ich weiß nicht recht“, sagte ich. „Engel heute…vielleicht so, dass wir sie gar nicht mehr bemer,en, weil sie uns nicht mehr in jener Lichtgestalt begegnen wie damals auf den Feldern von Bethlehem. Es mag schon sein, dass heute jemand einem Engel begegnet – etwas, was ihn bewahrt, oder führt oder…“ Da platzte es aus ihm heraus: „Sie sind heute einer für mich!“.

„Ich? Wieso ich?“ fragte ich zurück. Und dann erzählte er: „ich bin heute an die Bahnlinie gefahren um mit mir Schluss zu machen. Ich hielt es einfach nicht mehr aus. Ich war an einem Tiefpunkt angelangt.“ Er erzählte mir, was ihn dahin gebracht hatte und schloss mit den Worten: „Und dann kommen Sie! Rufen mich an, dass ich Ihnen helfen solle! Gerade im richtigen Augenblick für mich“. Er schüttelte den Kopf, als könne er nicht glauben, was ihm geschehen sei. „Mir, sagte er, „begegnet am Heiligen Abend ein Engel! Der liebe Gott hat mich nicht alleingelassen!“ - Wir haben dann nicht mehr viel geredet. Was gesagt werden musste, war gesagt. Er fuhr mich mit seinem Auto in meine Pension und H., half mir beim Aussteigen, setzte sich wieder hinter das Lenkrad und rief mir zu: „Danke für Ihren Engelsdienst! Danke!“ Und fuhr langsam davon. Ich habe ihn nie wieder gesehen. Aber diesen Heiligen Abend werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

 

Liebe Gemeinde, vielleicht ging es Ihnen auch so – beim Lesen der Geschichte dachte ich zunächst, der seltsame Unbekannte habe dem Erzähler einen Engelsdienst erwiesen, indem er ihn aus der einsamen Schneelandschaft gerettet hatte. Doch dann stellte sich heraus, dass der Verzweifelte es umgekehrt empfand – aber ich meine, dass im Grunde beide füreinander Engel waren. Natürlich könnte man die Begegnung  der beiden Männer rational betrachtet als Zufall bezeichnen. Aber man kann eben auch sagen, dass Gott hier seine Boten geschickt hat zu dem jeweils anderen, - wobei der Erzähler für den Suizid-willigen sicher  noch  wichtiger war als umgekehrt. Der Verzweifelte schloss vom Boten auf Gott zurück: „Mir begegnet am Heiligen Abend ein Engel! Der liebe Gott hat mich nicht alleingelassen!“

Ja, für besondere Botschaften und Anlässe schickt Gott seine Engel.

Ich wünsche Ihnen noch eine gesegnete Weihnachtszeit und fürs Neue Jahr, dass Gott mit Ihnen sei, ob durch sein Wort, durch Engel oder auf andere Art und Weise.

 

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn

 

 

 

 

 

 

 

 



Autor: Pfrin. Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam