Meine (Raum-)Zeit in deinen Händen

Leila Kleineidam, Meine Raum-Zeit in Deinen Händen

Leila Kleineidam, Meine Raum-Zeit in Deinen Händen, Heysham/Morecambe Lancashire UK, 2014. Acryl auf Leinwand 101x127cm (Postkarte 1EURO/Stück zzgl. Versandkosten bestellbar bei kleineidam(at)stadtkirche-bayreuth.de); Foto: Wolfgang Bouillon (oab)

Predigt über Psalm 31,16 unter Verwendung von Leila Kleineidams Bild "Meine Raum-Zeit in deinen Händen" und Psalm 31, 2-10.14+15 (Lesung)


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

 

Liebe Gemeinde!

„Meine Zeit steht in deinen Händen“ spricht der Psalmbeter (Ps 31, 16). Über das Phänomen der Zeit könnte man ja viel sagen: vom unterschiedlichen Zeitempfinden – manchmal vergeht die Zeit schnell, manchmal langsam – bis hin zu Einsteins Relativitätstheorie, bei der Raum und Zeit zusammenhängen. Doch der Beter meint nicht die Zeit als losgelöstes Element, sondern er spricht von seiner Lebenszeit, die in Gottes Händen steht.

Zu diesem Psalmvers hat unsere Tochter Leila Kleineidam anlässlich der Akademischen Gottesdienste dieses Jahr mit dem Thema „Mit Hoffnung in die Zukunft“ das Bild gemalt, das Sie auf dem Gottesdienstblatt haben und hier vorne sehen. Es hat den Titel „Meine Raum-Zeit in Gottes Händen“. Mein Mann hat eine Power-Point-Präsentation für Sie gemacht: ( Bild 1, Totale)

Das Bild hat drei Ebenen: Die obere Ebene bildet der Himmel bzw. der Weltraum, die mittlere Ebene ist die Erde, und darunter liegt eine Unterwelt.

Beginnen wir oben: Über einem farbenfrohen Sonnenuntergang – die Künstlerin wohnt am Westufer Englands – und vor schwarzem Nachthimmel oder Weltraum sind verschiedene einzelne Planeten und Himmelskörper zu entdecken. (Man fühlt sich etwas an den Kleinen Prinzen erinnert).  (2 Wegzeigerplanet ) Links unten ist der Wegzeiger- oder Verwirrungsplanet. Nicht nur junge Menschen wissen nach der Schule manchmal nicht genau, welcher Weg für sie der richtige ist: Die Wegzeiger zeigen in die verschiedensten Richtungen. Auch wir Älteren stehen – zumal am Anfang eines Jahres – manchmal vor Fragen wie: Wohin soll ich gehen? Welchen Weg soll ich einschlagen?

Rechts neben dem Verwirrungsplanet ist der Musikplanet. Ein Kontrabass steht im grünen Gras, dort liegen entspannt Leute. Ob die Noten rechts vom Planeten klassische Musik, Jazz oder anderes sind, kann man sich aussuchen.

(Zu den Linien, die vom Kontrabass ausgehen, komme ich noch). (3 Krankenplanet)

Etwas weiter oben ist neben einem Himmelskörper voller Pilze der Krankheitsplanet. Auf ihm ist ein Bett mit einem Kranken, doch es ist der Planet selbst, der die Spritze bekommt; links neben dem Planeten fallen Tabletten ins All. – Vor diesem beunruhigenden Himmelskörper sind wunderschöne Blumen – tragen sie zur Heilung bei? Die Blumen wachsen aus einer schwarzen Kugel, mein Mann vermutete, dass das ein schwarzes Loch sein könnte. Diese Deutung fand die Künstlerin interessant, doch sie malte fruchtbare Erde.  ( 4 Planet der Liebe )

Auf der rechten Seite sehen wir oben ein turtelndes Vogelpärchen auf einem kleinen blaugrünen Planeten, der von roten Adern gehalten wird.  Sie kommen aus einem im All schwebenden Herzen – spätestens jetzt merken Sie, liebe Gemeinde, dass die Malerin von Salvador Dali beeinflusst ist, dessen surreale Kunst sie bewundert.  – Am Herzen, dem Symbol sowohl für Leben als auch Liebe hängt über eine Nabelschnur verbunden ein Baby. ( 5 Ebene Notenlinien)

Eine weitere Verbindung gibt es durch die Notenlinien bzw. Saiten, die aus dem Kontrabass kommen. Man kann sie als Musik des Lebens bezeichnen. Sie führen durch das Ohr des Babys und kommen auf der anderen Seite beim Herz wieder heraus, wo sie bis zum Saturn-ähnlichen Planeten und um diesen herum führen. Am kreisenden Saturn schaukelt voller Lebenslust ein Kind.  ( 6 Atomplanet )

Darunter sieht man links einen ungesund grünlichen Planeten. Er stellt mit schwarz-gelben Zeichen, Atommeilern und einem kopfüber hängenden Menschen, der sich unwohl fühlt, die Gefahren der Atomkraft dar. Auf andere Art negativ wirken die beiden Planeten rechts, die sich im Krieg miteinander befinden. Vom roten Planeten flieht ein Mensch über eine Leiter nach oben vor der rechts unten herannahenden Rakete.

Dieser Himmel pulsiert voller Leben; er ist voller Bewegung und die einzelnen Himmelskörper wecken positive und negative Gefühle. ( 7 Stundenglas)

In diese obere Ebene hinein ragen zwei Efeu-umschlungene Arme, die Hände tragen eine Sanduhr. Sie bilden die Mitte des Gemäldes „Meine Raum-Zeit steht in deinen Händen“. Die Arme kommen aus einem Buch, das aufgeschlagen auf der Erde liegt. Mit seinem roten Einband und  dem Goldschnitt symbolisiert es die Bibel. Sie enthält Schätze wie die Evangelien und Briefe über Jesus Christus, von dem wir vorhin die Geschichte gehört haben, wie er als zwölfjähriger im Tempel war. Und die Heilige Schrift enthält Schätze des Ersten oder Alten Testamentes wie Psalm 31. Im Psalm findet sich wie auf unserem Bild sowohl Positives als auch Negatives. Der Beter hat schwere Erfahrungen gemacht: „Du wollest mich aus dem Netze ziehen, das sie mir heimlich stellten“ (V5) . V 10: „Herr, sei mir gnädig, denn mir ist angst!“

„Ich höre, wie viele über mich lästern: Schrecken ist um und um.“ – So alt, ja uralt dieser bibl. Text ist, so aktuell fühlt er sich doch für manche auch heute an. Angst etwa und verschiedene Ängste ziehen sich durch die Jahrtausende der Menschheitsgeschichte. Etwa die Angst vor Fremdem oder die Angst zu kurz zu kommen, wie wir es leider gerade in der Pegida-Bewegung erleben. Solche Ängste können offensichtlich leicht geschürt werden; doch eine derartige Mobilmachung gegen Flüchtlinge bzw. den Islam insgesamt kann ich  angesichts der vielen Kriegsgebiete dieser Erde, der existenziellen Not vieler Menschen und dem Wohlstand unseres Landes nicht nachvollziehen.

Andere Ängste, die sich nicht in fremdenfeindlichen Demonstrationen äußern, wie etwa die Angst vor Krankheit, Leid und Tod möchte ich aber so wenig bagatellisieren wie der Psalm das tut: …“mir ist angst. Mein Auge ist trübe geworden, matt meine Seele und mein Leib“. Der Psalmbeter spricht sein Leid und seine Ängste sehr wohl aus, -  doch er bleibt nicht beim Negativen stehen. Er äußert ebenso sein Vertrauen auf Gott, seine positiven Erfahrungen: „In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du treuer Gott. (V6).  „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“. In Bezug auf unser Bild und den Wegzeiger-Planet: Welchen Weg du auch gehst, Gott stellt deine Füße auf weiten Raum. (9b). - Und schließlich die vertrauensvolle Feststellung: „Meine Zeit steht in deinen Händen“.  ( 8 mittlere Ebene )

Auch sonst gibt auf der Erde wie im Himmel darüber - Elemente, die Hoffnung vermitteln und andere, die Betrüben und Trauer darstellen. Da sind die fröhlichen, leuchtenden Sonnenblumen, die diese Erde bedecken. Des Weiteren sprießen rechts Herbstzeitlose, die zu Windrädern werden.  Andererseits ist da der See in Tränenform. Er kommt als Träne aus dem über der Erde schwebenden Auge. Der Ballon im Himmel spiegelt sich in diesem Trauersee. Der Regenbogen über dem Auge wiederum löst hoffnungsvolle Assoziationen aus. Die Tiere auf der Rakete hängen auch mit dem Regenbogen als Bundeszeichen zusammen, die Rakete ist laut Künstlerin eine Art Pendant zur Arche Noah.

(9 Unterwelt)

Als dritte Ebene sieht man eine Art Unterwelt. In deren Mitte ist die Stadtkirche angedeutet. ( 10 Detail Stadtkirche). Ihr rechter Turm schmilzt oder löst sich in verschiedenen Farben auf. Und obwohl wir uns jetzt riesig freuen, dass wir endlich wieder hier drin sein können, ist uns natürlich bewusst, dass der Zahn der Zeit an ihr und an allen Gebäuden nagt – das hat die Malerin  an der Brüstung angedeutet, die sie als Zähne gemalt hat.

Die einzelnen Figuren und Farben der oberen beiden Ebene spiegeln unterschiedliche Gefühle wie Lebensfreude, Unsicherheit, Hoffnung oder Angst wider. Und so ist es auch in der Unterwelt – nicht nur bei der Betrachtung der verfremdeten Stadtkirche. (11 – wie 9)  Einen starken Eindruck hinterlassen die beiden Skelette links und rechts unten. Sie nehmen Bezug auf die mittelalterlichen Darstellungen des Totentanzes: ob arm oder reich, Kardinal oder Bettler, der Tod macht keinen Unterschied. Zahn der Zeit und Skelette erinnern an die Vergänglichkeit von Gebäuden wie Menschen. Doch auch hier unten sehen wir Zeichen von Leben und Hoffnung. (12 Tiefsee )

Die blaue Blase, die aus der Tiefsee kommt, ist mit ihren roten Korallen und rosa Quallen zunächst mal ambivalent. Quallen etwa, die viele Menschen nicht so mögen, gehören zu den von der Künstlerin geschätzten Lebewesen. Eindeutig positiv jedoch sind die zahlreichen Keimlinge unter der Erde. Interessanterweise haben die Skelette welche in der Hand (13 Keim von Sonnenbl. ) Links bildet der Keim die Wurzeln für die über der Erde strahlende Sonnenblume. (14 Keim v. Windkraftw.) Rechts geht aus ihm das Wurzelwerk von Herbstzeitlose bzw. Windkraftwerk hervor – letzteres ist für die Malerin nicht Störung der Landschaft, sondern Hoffnungszeichen – liefert es doch saubere Energie ohne schädliche Folgen.

 

Der Vergänglichkeit von Gebäuden  und Menschen stehen Gottes Verheißungen und das Vertrauen in ihn entgegen. ( 15 Sanduhr wie 7)

„Meine Zeit steht in deinen Händen“  - Gottes Wort hält und trägt. Die Bibel-Arme halten die Sanduhr, die Symbol für unsere persönliche Lebenszeit ist. Die „Hände Gottes“ –  ja eigentlich sollen wir uns laut dem 2. Gebot ja kein Bild von Gott machen. Und doch spricht die Bibel in Bilder von ihm, dem eigentlich Unvorstellbaren, weil wir uns Gott eben nur mit unseren - freilich begrenzten - menschlichen Vorstellungen und Bildern nähern können.  - Die Hände Gottes halten das Stundenglas, unser Lebenszeit. ( 16 Stundenglas mit Eiern).

Die Eier oben auf dem Stundenglas kommen von den turtelnden Vögeln, ein Zeichen, dass die Liebe sich fortpflanzt.  Wenn man genau hinschaut, sieht man außerdem, dass im oberen Teil des Stundenglases kein Sand ist, sondern wiederum Zähne. Der Zahn der Zeit wird feingemahlen – und zwar in golden schimmernde Körnchen. (17 unterer Teil v. Stundengl.)

Das Gold der Ewigkeit taucht auch im Goldschnitt der Heiligen Schrift auf.  Und der immergrüne Efeu, der sich um die Arme und Hände rankt – und von dem die Giraffen links gerne fressen würden – ist auch ein Zeichen für die Ewigkeit und das ewige Leben, das wir erwarten: es sind Bilder, die Hoffnung und Zuversicht vermitteln , bei all dem, was ängstigen oder plagen mag.

(18 Totale wie 1)

Meine Zeit steht in deinen Händen. – Ich möchte schließen, liebe Gemeinde, mit Worten unseres Reformators Martin Luther, die er über diesen Psalmvers schrieb: „Diese Zeile habe ich jetzt in dieser Krankheit gelernt und will sie korrigieren, denn ich bezog sie früher nur auf die Todesstunde. Sie soll aber heißen: In deinen Händen sind meine Zeiten, mein ganzes Leben alle Tage, Stunden und Augenblicke“.  – Ich wünsche Ihnen, dass Sie im neuen Jahr erleben dürfen, wie Sie in Gottes Händen geborgen sind.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.



Autor: Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam