Der dreieinige dreifaltige Gott

Römer 11, 33-36


O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen«? (Jesaja 40,13) Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste«? (Hiob 41,3) Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.

Liebe Gemeinde,

„Ende gut, alles gut“. Am Ende steht der Jubel. Die Gewinner reißen die Hände hoch, springen herum, singen oder grölen, fallen einander oder den Nächstbesten in der Umgebung um den Hals – vielleicht auch den Verlierern, denen momentan gar nicht  nach Umarmungen zumute ist. Auf dem Fußballplatz gibt es Weißbierdusche aus Riesengläsern, bei der Formel 1 Küsschen von den Eskortdamen und überschäumende Sektflaschen. So wurde das Wort „überschäumend“ überhaupt zum Ausdruck für solchen Jubel und solche Freude.

Auch beim Apostel Paulus steht am Ende der Jubel. Es war kein Spiel, was dem vorausging, sondern eher ein Kampf – aber oft mündet das Spiel ein in den Kampf und die Zuschauer im Stadion oder am Fernseher wollen Kampf sehen, Einsatz bis ins Letzte. Zuschauer fordern: wir wollen euch kämpfen sehen, das war nicht nur bei den Gladiatoren im römischen Zirkus so. Auch Paulus kämpft. Er kämpft um sein Volk, die Juden. Er kämpft damit, dass die Mehrheit Jesus Christus ablehnen – ihn, der für Paulus und alle Christen zu dem Weg, der Wahrheit und dem Leben geworden ist, zum Heil. Paulus kämpft mit der Ablehnung, er kämpft aber auch mit denen, die daraus folgern: Gott hat seine Versprechen gebrochen, die er seinem Volk gegeben hat. Gott ist seiner Geliebten, der er ewige Treue versprochen hatte, untreu geworden. Paulus kämpft auch mit sich: Lieber würde er auf sein Heil, seinen Platz im Himmel verzichten, wenn nur seine jüdischen Brüder und Schwestern gerettet würden. Paulus kämpft mit den Christen in Rom, die sagen: schneidet doch die alten Zöpfe einfach ab; was interessieren uns die Juden; schreibt sie doch ab. Doch Paulus hat einen Geistesblitz, er findet die Lösung: es ist nur vorübergehend; die Ablehnung, der Kampf sind nur Zwischenstationen. Ja, sie sind sogar nötig, damit auch die übrigen Völker, die „Heiden“ zum Glauben, zur Erkenntnis Gottes, zum Heil kommen. Es ist, als hätte Gott ihm Einblick in seine Pläne gegeben. Am Ende dieses Kampfes mit Argumenten, steht der Satz: Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.

Und dann bricht der Jubel hervor, der Triumphgesang. Nicht so wie es bei den Römern üblich war mit dem Triumph, wenn der siegreiche Feldherr zurückkam von gewonnener Schlacht und die glänzenden Beutestücke mit Gold und Edelsteinen mitschleppte, zunächst unter Triumphbögen aus Holz und dann den mächtigen aus Stein. Auf dem des Titus sieht man, wie die Römer das Volk der Juden besiegt hatten und den siebenarmigen Leuchter aus dem Tempel mitschleppten. Der Triumph des Paulus mündet in ein Loblied auf Gottes Weisheit, auf seine Pläne, die alles menschliche Denken und Rechnen übersteigen, die kleinkarierten Grenzziehungen, die Überlegenheitsgefühle derer, die sich für Erwählte und Heilige halten, aber auch die Zweifel und das „unmöglich“ in unseren Köpfen; die intellektuellen Wiedersprüche und denkerischen Aporien: O welch eine Tiefe des Reichtums und der Weisheit und der Erkenntnis Gottes. Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege.

Das ist der Predigttext für den Sonntag Trinitatis. Auch wenn das aus dem Griechischen stammende Wort „Triumph“ wohl nichts mit der Zahl Drei zu tun hat, die in Trinität steckt, der Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit Gottes, so erklingt heute zumindest im Predigttext ein triumphaler Lobgesang auf den dreieinigen Gott. Und zu dem Stichwort „Ende gut, alles gut“, könnte man darauf verweisen, dass am heutigen Sonntag der erste Teil des Kirchenjahres abgeschlossen ist. Von Advent bis Pfingsten wird die Heilsgeschichte entfaltet, wie Gott sich uns zeigt, wie er einzieht im Advent, wie er ein Mensch wird, ein Kind in der Krippe und schon zu Beginn die Völker auf ihn aufmerksam werden, wenn auch nur in Gestalt von Sterndeutern aus dem Osten; wie Jesus sich taufen lässt und seine Wunder tut; und dann: wie er leidet – fast sieben Wochen Passionszeit: seinem Leiden zu gedenken, mit dem Höhepunkt am Karfreitag, als er stirbt für unsere Erlösung. Der nächste Höhepunkt: Ostern, Jesus ist auferstanden; 30 Tage später Christi Himmelfahrt: Jesus geht zum Vater, verlässt seine Jünger, um zu jeder Zeit und an jedem Ort bei ihnen sein zu können, bis ans Ende der Welt; und verheißt ihnen den Heiligen Geist, dessen Ankunft wir an Pfingsten feiern.

Trinitatis, Fest der Dreieinigkeit, das ist sozusagen der Abschluss dieser Geschichte, die ja auch mit Kämpfen verbunden war: der arme Stall, die verschlossenen Häuser und Herzen; Herodes, der das Kind als Konkurrenten fürchtet und töten lassen will; die Eltern Maria und Josef, die den Zwölfjährigen im Tempel finden, weil er bei seinem eigentlichen Vater sein will; die Jünger, die ihn immer wieder missverstehen, die Pharisäer und Schriftgelehrten, die ihn anfeinden; der Kampf gegen Krankheiten und böse Geister und schließlich der letzte Kampf, der gegen den Tod, der zunächst mit Niederlage und Verzweiflung endet. Darauf blicken wir heute zurück und sollen einstimmen in das Jubellied über die geheimnisvollen, unbegreiflichen Wege unseres Gottes, der Drei ist in Einem, der der Vater ist, der Schöpfer des Himmels und Erde; der in Jesus Christus Mensch geworden ist, sich erniedrigt hat bis zum Tod am Kreuz; der große Gott, der sich in Jesus selbst dem Tod ausgesetzt hat und zugleich als Vater den Sohn auferweckt hat; und Gott, der als Heiliger Geist in uns Menschen hineingekommen ist, unseren Verstand und unsere Herzen erleuchtet, uns inspiriert und mit seinen Gaben begabt, ein schöpferischer Geist und ein Tröster, ein Geist der Erkenntnis, dass wir Gott erkennen und an Jesus Christus glauben können. Das feiern wir heute, am eigentlichen Kirchweihtag unserer Stadtkirche.

Aber bei allem geht es um Beziehungen. Es geht nicht um allgemeine Glaubenswahrheiten, um „Dogmatik“, wie es in der Theologie heißt. Es geht nicht nur um Verstehen, wobei es eben nicht so leicht zu verstehen ist, wie Gott zugleich Einer und Drei in einem sein soll. Der Islam meint ja, wir würden an drei Götter glauben, und fragt, wie Gott einen Sohn haben kann, wenn er keine Frau hat. Wie also Dreifaltigkeit und Dreieinigkeit zusammenzudenken sind. Es geht um Beziehung, auch ganz „egoistisch“ und egozentrisch, was das für eine Beziehung zu mir hat, mit mir zu tun hat; oder wie Martin Luther im Kleinen Katechismus ungeniert fragt: Was nützt‘s? Das ist ja das Wunderbare, dass Gott in seiner Trinität immer in Beziehung steht zu uns Menschen; immer mit mir als einzelnem und mit uns als seinen Menschen, seiner Schöpfung zu tun hat, eben als der Schöpfer, der nicht nur einmal am Anfang alles ausgelöst hat, als „erste Ursache“, wie die Philosophen früher sagten, ob wir es ins nun im Bild des Siebentagewerks der Schöpfungsgeschichte vorstellen oder mit Urknall und Evolution, es ist „mein Schöpfer“, der mir das Leben geschenkt hat und mich an jedem Morgen neu aufstehen lässt; Jesus Christus, der Sohn, ist mein Heiland, der für mich am Kreuz gestorben ist und mich erlöst; mit dem Heiligen Geist bin ich beschenkt. Der dreieinige Gott steht in Beziehung zu mir. Ich muss keine Gottesbeziehung erst aufbauen, sie ist von seiner Seite längst da. Glauben heißt, dies anzuerkennen und gelten zu lassen. Gott hat eine Beziehung zu mir und zu uns allen, weil er ein Beziehungswesen ist, weil er in sich selbst eine liebevolle Beziehung pflegt.

Symbol dafür ist das Dreieck. Ich denke jetzt nicht an „Dreiecksbeziehungen“ zwischen Männern und Frauen, die in der Regel moralisch eher anstößig sind. Ich denke jetzt auch nicht an das Dreieck mit dem Auge Gottes darin, zu dem ich in der Kirche von Birk als Kind doch ziemlich ängstlich hinauf geschaut habe. Im Nachhinein erkläre ich mir das so: wenn das Auge Gottes einen immerzu beobachtet und alles sieht, was man tut, oder sogar noch was man denkt und fühlt, dann ist das zwar auch eine Beziehung, aber keine einladende und freundliche, sondern eher eine von Angst vergiftete. Das Dreieck ist eine Figur der Beziehung.

Vielleicht versteht man das besser, wenn man es mit anderen Gottesvorstellungen vergleicht. Der griechische Philosoph Aristoteles verglich Gott dagegen mit einer Kugel. Man könnte auch an die kugelförmigen Bäuche der Buddhastatuen denken, wie sie heute auch in unseren Baumärkten zu kaufen sind und zur Zeiten des Bayern Trainers Jürgen Klinsmann im Clubgelände aufgestellt worden sind. So ein dicker Buddha ruht in sich, genauso wie die Kugel. Sie ist Symbol der Vollkommenheit, rund und glatt. Jeder Punkt hat die gleiche Entfernung vom Mittelpunkt; keine Ecken und Kanten, keine Unregelmäßigkeiten. So stellte sich der Philosoph Gott vor. Aber dieser Gott ist nicht zur Liebe fähig. Er wird geliebt, in dem Sinn, dass sich die Menschen danach sehnen, auch so zu sein, vollkommen in sich zu ruhen. Die Menschen lieben, weil sie unvollkommen sind, weil sie jemand brauchen. Aristoteles vergleicht sie mit Halbkugeln. Die suchen immer eine „bessere Hälfte“. Dass Gott in seiner Vollkommenheit Beziehung zu den Menschen suchte, sich gar hingeben könnte, sich nach Menschen sehnt, sie liebt, ist bei solch einem Gottesbild undenkbar.

Das Dreieck drückt dagegen, wenn auch ziemlich stilisiert, aus: Gott ist die Liebe. Liebe braucht ein Gegenüber. Der, der nur sich selbst liebt, ist sich selbst sein Gegenüber, so wie der selbstverliebte Narziss in sein Spiegelbild im Wasser verliebt ist. Der dreieinige Gott ist eins und hat dieses Gegenüber der Liebe in sich selbst. Jesus sagt: wie mich der Vater liebt, so liebe ich euch. Unser Gott kann uns Menschen lieben, weil er in sich selbst diese Liebe hat.

Paulus endet sein Loblied auch mit einem Lobpreis auf die Vollkommenheit Gottes. Nach dem Motto „aller guten Dinge sind drei“ macht er ein Wortspiel aus drei Teilen: von ihm, durch ihn und in ihm sind alle Dinge. Auch bei uns sind solche Triaden beliebt, zum Beispiel in der Abendmahlslehre: Jesus Christus ist gegenwärtig in, Mit und unter Brot und Wein. Die Dreizahl als Spuren der Dreieinigkeit zieht sich durch die Architektur unserer Stadtkirche. Ich möchte mit einem anderen Bild schließen, nicht mit dem nackten, kargen Dreieck, sondern einem römischen Brunnen, bestehend aus drei Schalen. Conrad Ferdinand Meyer dichtet über ihn:
Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.

Vollkommen ruht der Brunnen in sich und strömt doch zugleich unaufhörlich. So könnte man sich die Trinität vorstellen. Gott, dem Brunnen des Lebens, fließt über, aus ihm quillt Heil und Leben. (So wie es in einem Lied zu Trinitatis heißt: Brunn alles Heils, dich ehren wir). Amen.



Autor: Dekan Hans Peetz