Das Fest der Gleichheit im Reich Gottes

Matthäus 22,1-14


 

Die königliche Hochzeit


(1) Und Jesus fing an und redete abermals in Gleichnissen zu ihnen und sprach:

(2) Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. (3) Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu laden; doch sie wollten nicht kommen.

(4) Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit! (5) Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft. (6) Einige aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie.

(7) Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an. (8) Dann sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste waren's nicht wert. (9) Darum (G)eht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet. (10) Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen,  wen sie fanden, Böse und Gute; und die Tische wurden alle voll.

(11) Da ging der König hinein, sich die Gäste anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte  kein hochzeitliches Gewand an, (12) und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Gewand an? Er aber verstummte.

(13) Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindet ihm die Hände und Füße und werft ihn in die Finsternis hinaus! Da wird Heulen und Zähneklappern sein. (14) Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.

 

Liebe Festgemeinde, werte Jubelkonfirmandinnen und –konfirmanden,

 

I. Gästelisten

 

   Ihre Konfirmation vor 60, 65, 70, 75, ja vor 80 Jahren ist heute der Anlass ein Fest zu feiern. Einige bleiben heute lieber gerne unter sich, andere laden Gäste ein und feiern mit Verwandten und Bekannten. Nur wen lädt man ein und wen nicht?

Beim Kindergeburtstag in unserer Kindheit fing das mit der Gästeliste bei vielen von uns an. Je nach Räumlichkeit stellte sich die Frage: Wie viele dürfen kommen? Und vor allem wer darf kommen? "Die Marion hat zu mir dumme Ziege gesagt, die darf nicht kommen." So hört man es schon bei den Kleinen in der Grundschule. Vielleicht wissen Sie noch, wie enttäuschend es war, wenn man bei einem Geburtstagsfest nicht eingeladen war oder wenn jemand nicht kommen konnte, den man von Herzen dabei gehabt hätte. Irgendeine Ausrede hatte er, so schien es uns. Wut und Zorn stiegen so oder so in einem auf.

 

II. Zu dem Fest kämad ich fei ned.

 

Soweit wir die Adressen noch ermitteln konnten sind aber heute zur Jubelkonfirmation alle KonfirmandInnen Ihrer Jahrgänge eingeladen worden. Viele sind dieser Einladung gefolgt. Manche können aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr kommen und schreiben uns ihren Kummer. Andere feiern woanders ein Familienfest. Wieder andere haben sich gar nicht gerührt.

 

Auch in dem Predigttext für den diesen Sonntag geht es um ein Fest und Einladungen dafür. Er steht bei Matthäus 22,1-14 geschrieben. Sie können den Text in Ihrem Programmheft mitverfolgen (Siehe oben!).

 

Dieses Fest schockiert in zweifacher Hinsicht. Die Einladungen des Königs werden zweimal ausgeschlagen, ja dessen Gesandte erschlagen. Der Herrscher reagiert nicht weniger blutrünstig. Er brachte die Mörder um und zündete ihre Stadt an. Nach dem Hochzeitsgemetzel folgte eine weitere erschütternde Szene. Nach der dritten Einladung, die Gut und Böse auf der Straße annahmen,  entdeckte der König einen Gast, der kein Gewand an hatte, das dem Anlass der Hochzeit des Sohnes entsprochen hätte. Er ließ ihn fesseln und aus dem Festsaal werfen. Über die darauffolgende Stimmung im königlichen Palast lässt sich nur spekulieren. Man könnte vermuten: Jeder Gast dürfte mit Sorge an sich heruntergeschaut haben, um zu sehen, ob die Kleidung passt. Wir Franken würden zu so einer Einladung sagen: „Zu dem Fest kämad ich fei ned.“

 

Wie weit ist dieses Hochzeitsfest von den Festen entfernt, wie wir sie kennen? Heutige Hochzeitsfeste werden mit viel Liebe vorbereitet, bis ins Kleinste und mit Aufwand geplant. Meistens kommen über 50 Gäste. Es wird gegessen und getrunken, getanzt, Sketche aufgeführt und mit Witz Anekdoten aus der Kindheit der Hochzeiter vorgetragen. Zwar kann es vorkommen, dass sich Menschen auf Hochzeiten treffen, die sonst Abstand zueinander nehmen würden. Ja, hie und da hat man auch von Streit auf einer Hochzeit gehört, so wie es bei meiner Hochzeit vor 25 Jahren der Fall war. Aber der Blutrausch, wie wir ihn bei Matthäus hören, entzieht sich unserer Erfahrung.

 

Wie kommen wir heute mit so einem Text zu einer Festfreude, liebe Gemeinde?

 

III. Matthäus und die Volkskirche

 

Zunächst möchte ich um Verständnis für diesen Text von Matthäus werben. Er richtete sich an die Hohenpriester und Pharisäer des jüdischen Volkes. Sie sind in Vers 1 angesprochen. Matthäus hat ein Gleichnis Jesu in seinem Evangelium verarbeitet und deutet den König auf Gott als Lenker der Geschichte. Denn wenn er davon erzählt, dass der König die Mörder umbringen und deren Stadt anzünden ließ, sieht er Gott im Jahre 70 am Werk, als die Römer unter dem Feldherren Titus die Stadt Jerusalem zerstörten. Auch die Christen und Christinnen in der Hauptstadt Israels waren von diesem Krieg betroffen. Vom Judentum wurden sie angefeindet und später aus der Synagoge verbannt. Von den Römern wurden sie in Rom unter Kaiser Nero getötet.[i] Es geht Matthäus also nicht etwa um einen Krawattenzwang, sondern um die Auserwählten.[ii] In der Bedrängnis der Zeit des Matthäus ist es eine Überlebensfrage der Gemeinde gewesen, dass die Außenwelt das Christentum durch Glaube und äußere Erscheinung vor allem durch Werke der Barmherzigkeit[iii] erkennen konnte. Ansonsten hätte der Glaube für die Heiden keine Relevanz gehabt und wäre verschwunden.

In einem Rechtsstaat heute, der sich durch Toleranz und Freiheit auszeichnet, leistet sich unsere Volkskirche Gruppen, die entweder für sich ihren Glauben im Wald finden oder sich in Hauskreisen und Zirkeln zurückziehen. Die Gemeinde des Matthäus musste durch Klarheit in der Lehre und Konsequenz in der Tat überzeugen, damit sich Mitglieder trotz Bedrängnis zur Gemeinschaft hielten.

 

IV. Das Fest der Gleichheit im Reiche Gottes

 

Matthäus hat das Gleichnis Jesu vom Reich Gottes in sein Evangelium eingepasst und vor der Leidensgeschichte Jesu als Bußtext ausgelegt. Wir hören seine Botschaft wohl: „Siehe zu, dass du nicht nur berufen sondern auch auserwählt bist!“ Gerade im Lutherjubiläumsjahr darf Buße Großthema sein. Ging doch die erste der 95 Thesen darüber, dass das ganze Leben des Christenmenschen Buße sein solle.

 

Aber ich möchte gerne mit Ihnen heute, liebe Jubilarinnen und Jubilare, auf eine andere Weise in Festfreude kommen. Bei einem Hochzeitsfest bohrt man ja auch nicht in der Schuld und in den Vergehen von Braut und Bräutigam herum. Darum lassen Sie mich auf das Gleichnis Jesu zurückgreifen, auf das Matthäus zurückgegriffen hat. Ich erspare uns die Methode, wie man auf diesen Text Jesu kommt. Sie können das in der Anmerkung unter dem Predigttext nachlesen.[iv] Das Reich-Gottes-Gleichnis Jesu finden Sie, wenn Sie den kursiv-fett gedruckten Text hintereinander lesen und die Worte dazwischen weglassen.

 

Zwei Aspekte des Gleichnisses Jesu sind für unser heutiges Fest der Jubelkonfirmation von Bedeutung:

1. Der Zorn geht neue Wege: Im alten Orient gab es viele Könige. Herodes kennen wir aus der Bibel. Sie wurden von den Römern geduldet. Eine Hochzeit war wie in jeder Monarchie von Bedeutung, weil aus der Ehe der Thronerbe hervorgehen sollte, damit die Erbfolge und die Macht gesichert wären. Eine Einladung auszuschlagen, wie wir es im Gleichnis Jesu hören, galt als Majestätsbeleidigung. Sowohl bei Lukas als auch bei Matthäus hören wir daher vom Zorn des Königs bzw. Herren. In Jesu Gleichnis vom Reich Gottes geht nun der Zorn einen neuen Weg: Statt die Ignoranten zu strafen, lädt er die Menschen auf der Straße zur Hochzeit ein.

Wir führen diese Einladung in unserer Kirche fort. Nicht nur der Adel und der Hofstaat sind im Reich Gottes eingeladen. In Taufe und Konfirmation darf jeder an dem Machtbereich Gottes teilhaben. Jesu Erzählung ist ein Gleichnis für die Gleichheit im Reich Gottes.

 

2. Das Fest der Gleichheit: In St. Petersburg hatte man in Zeiten des Kommunismus die U-Bahnstationen wie Paläste gebaut. Die Arbeiter sollten sich wie der Adel von einst fühlen, wenn sie zur Arbeit fuhren. Noch heute kann man über diese Bahnhofspaläste im Untergrund staunen. Während der Zeit Stalins wurde diese Gleichheit mit Staatsterror durchgesetzt.

 

Jesus erzählt indessen ein Gleichnis. Wir werden mit dieser Erzählung mit in die Gleichheit im Reich Gottes hineingenommen. Es geht um die Überraschung: Stell dir vor, ein König wie Salomo oder eine Königin wie Elisabeth II feiert ein Hochzeitsfest und Du bist eingeladen. Nicht nur daheim durch das Fernsehen oder durch einen Minibildschirm eines Smartphones wirst Du zu einem „Adabei“ gemacht, wie wir in Franken sagen. Einer der halt auch irgendwie dabei ist, aber keine Rolle spielt. Im Reich Gottes wird Gleichheit nicht staatlich verordnet, sondern als Fest zusammen gefeiert. Sie ist auf Glaube und Freude hin ausgelegt.

 

V. Der Taufstein als Grundstein der Gleichheit und das Abendmahl als Fest der Gleichen im Reich Gottes

 

Jesus hat mit seiner Schar ein Abendmahl gefeiert. Die Kirche tut dies bis heute, weil Christi Geist sich in Brot und Wein mit uns verbinden will.

Brot gilt als Zeichen des Lebens in der Gemeinschaft der Gleichen. Der Landwirt erntet die Körner, der Müller mahlt sie zu Mehl und der Bäcker backt sie zu Brot.

Wein gilt als Zeichen des Festes. Er wird ausgeteilt unter den Geladenen von der Straße. Nicht nur der Adel sollte die Weinlesen des Königs genießen dürfen. Jeder Mensch darf an dem Weinberg im Reich Gottes teilhaben.

 

Die Gleichheit z.B. von Mann und Frau findet sich hier in der Stadtkirche bereits unter den Fürsten. Am Passionsaltar, der von der Markgräfin Maria 1615 gestiftet wurde, finden sich die Wappen von Maria und Christian auf gleicher Höhe. Dennoch empfand sich der Adel auch nach der Reformation noch über dem Volk stehend.

 

Der Gedanke der Gleichheit aller Menschen aber ist nicht erst ein Ergebnis der französischen Revolution von 1789 (Égalité). Ganz nahe am Gleichnis Jesu war der Apostel Paulus: "Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus."(Galater 3,26-28).

 

Heute feiern wir die Gemeinschaft aller mit Lebenden und den Toten - auch den Fürsten. Unten in der Fürstengruft liegen die Markgrafen, oben steht die Gemeinde. Denn entscheidend ist nicht der Stand, sondern der Grundstein der Gleichheit vor Gott: Der Taufstein. Vor ihm gilt weder Reichsein oder Armsein etwas, weder Krankheit noch Gesundheit – wenn wir Lukas folgen, nicht einmal Gut oder Böse – wenn wir Matthäus hören. Anders als bei den Kindergeburtstagen unserer Kindheit darf zum Fest im Reich Gottes jeder Mensch kommen. Denn hier vor dem Taufstein zählt nur die Liebe, die Gott zu allen Menschen hat. Er lädt alle ein – ohne dass wir Angst vor „Heulen und Zähneklappern“ haben müssten – wenn wir Jesus folgen. Bei diesem Fest der Gleichheit und des Glaubens im Reich Gottes werden die Tische voll.

 

Amen


[i] Vergleiche Tacitus, Annalen 15,44,2-5

[ii] Das macht die Zufügung der Verse 11-14 insbesondere Vers 14 deutlich.

[iii] Vergleiche zum Beispiel Matthäus 5,7 oder 25,31-46

[iv] Die Geschichte von dem Fest wurde im Neuen Testament zweimal überliefert: Mt. 22,1-14 (Predigttext) und Lk. 14,15-24 (Evangelienlesung). Bei Mk. und Joh. fehlt sie. Die Forschung schließt daher auf eine noch zu findende Quelle „Q“ als schriftliche Vorlage von Lk. und Mt., die die Reden (z. B. Bergpredigt) und Gleichnisse Jesu aufgezeichnet hat. Mt. hat das Gleichnis im Vergleich zu Lk. lebensnah bewahrt: Ein König richtet ein Hochzeitsfest für seinen Sohn aus. Lk. hat indessen die Neuausrichtung und Kanalisierung des Zorns bei dem einladenden Herrn bewahrt. Sie finden oben eine Rekonstruktion des Gleichnisses Jesu nach „Q“ in kursiv-fett gedruckter Schrift.

 

 



Autor: Pfarrer Martin Kleineidam