Die Salbung in Betanien

Markus 14, 3-9


Mark. 14, 3-9:

Und als er in Betanien war im Hause Simons, des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbaren Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.

Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da owrd man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.

 

 

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,

die Geschichte, die wir gerade gelesen bekommen haben, ist die wohl älteste Überlieferung der Salbung Jesu durch eine Frau. Der Evangelist Markus erzählt von einer mit Namen nicht Bekannten, die Jesus den Kopf salbt. Bei Lukas und Johannes ist es eine Fußsalbung, doch hier wird eine Kopfsalbung berichtet. Wir wollen der Salbung, der Salbenden und dem Gesalbten nun nachgehen.

Zunächst müssen wir uns Zeit und Ort dieser besonderen Handlung vergegenwärtigen: Es ist zwei Tage vor dem jüdischen Passahfest. Jesus ist mit seiner Gruppe nach Jerusalem gekommen. Er ist beliebt beim Volk, aber nicht bei den Mächtigen. Gesetzestreue und fromme Juden stoßen sich daran, dass er mit Sündern und Zöllnern Gemeinschaft hat, dass er so viel Zulauf hat, etwa weil er Kranke heilt und anschaulich von Gott sprechen kann. Denn Teile des Volkes sehen Jesus als Messias, als neuen König. Schließlich kommt Jesus aus Bethlehem, der Stadt Davids; des großen Davids, der einst zum König gesalbt worden war, wie das in Israel üblich war. Die Oberen fürchten seine Macht und überlegen, wie sie seiner habhaft werden können.  Jesus  ahnte das und hatte seinen Freunden dreimal angekündigt, dass er werde leiden müssen, doch das wollten sie nicht hören.

So ist die Situation, als Jesus bei Simon, dem Aussätzigen – der wohl von Jesus geheilt worden war – zu Tisch sitzt, seine Jünger mit ihm. In diese Männerrunde kommt nun eine Frau, die eine riesige Menge von teuerstem Salböl über Jesus ausgießt. Der Wert des wohlriechenden Nardenöls entsprach ungefähr dem Jahreslohn eines Arbeiters, wie Elisabeth Moltmann-Wendel in ihrem Buch „Ein eigener Mensch werden“ schreibt.

Aufgrund dieses ungeheuren Wertes kann man die Jünger verstehen, die einwenden, dass man mit dem Geld von diesem Öl viel hätte für die Armen tun können. Jesus lagen die Armen ja am Herzen.Doch als seine Jünger die Frau scharf  kritisieren, verteidigt Jesus sie vehement. Bevor wir uns seine Antwort genauer ansehen, gehen wir erst noch mal zur Salbung selbst und was sie bedeutete.

Im bürgerlichen Abendland wurde Salbung im Zusammenhang mit Kosmetik, Krankenpflege und Liebesdienst gesehen und daher Frauen als eigenstes Feld anempfohlen. Aber wer salbte im Altertum? „Man salbte Gäste, um sie zu erfrischen“ schreibt Moltmann-Wendel. Man salbte Tote, um sie einzubalsamieren und zu ehren. Man salbte Kranke, um sie zu heilen. Markus erzählt dies von den Jüngern (Mk 6, 13). Und man salbte Könige. Und dies waren keine frauenspezifischen Aufgaben. Einen israelitischen König z.B. hat wohl nie eine Frau gesalbt.“ Saul und David wurden vom Propheten Samuel gesalbt, indem er Ölflaschen über ihren Köpfen ausgoss.

Unsere Frau ohne Namen ist also sehr mutig, sie bricht Traditionen und Anstandsregeln. Sie ist kein bekannter Prophet, sondern eine unbekannte Frau, doch sie ist es, die Jesus salbt, ihm damit zum einen Gutes tut, und ihm andererseits die Königswürde verleiht.

Schauen wir uns an, wie Jesus reagiert. Als die Jünger sie angreifen, verteidigt er die Frau nicht nur, er weist die Murrenden auch zurecht. „Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.“  Ja, mit ihrer Tat hat sie Jesus gut getan. Er, der ahnte, dass ihm Leiden bevorstand, hat diese besondere Zuwendung, die Salbung und den Wohlgeruch sicherlich körperlich genossen. Der Evangelist Markus beschreibt Jesus als sehr leiblich, menschlich. - Für diese Frau war Jesus so viel wert, dass sie  - ob durch ihr gespartes Vermögen oder wie auch immer – dieses kostbare Öl über ihm vergoss.

 Das tut gut, auch uns, wenn man spürt: Diesem Menschen bin ich etwas wert oder sogar viel wert. Und: Gesalbt werden tut gut, auch uns, nicht nur Jesus. Das können Sie, das können viele, die hier sind, bestätigen.  Die Zuwendung, die Berührung, die segnende Geste und anderes mehr ist eine Wohltat.

Bei der Salbung der Frau kommt der große symbolische Gehalt dazu: Sie machte Jesus damit wahrhaft zum Gesalbten – und nichts anderes bedeuten unsere Hoheitstitel für Jesus: Meschiach / Messias auf Hebräisch und Christos auf Griechisch heißt Gesalbter.

Die Jünger kapieren leider gar nichts. „Ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun“ – und zwar, kann man ergänzen, mit eurem Geld oder eurer Zeit. (Denn sie haben ja über fremdes Eigentum diskutiert, das sie unter die Armen verteilen wollten). „Sie hat alles getan, was ihr möglich war“. – „Mich aber habt ihr nicht allezeit“ sagt Jesus auch. Man könnte ergänzen: Ich habe es euch schon mehrmals angedeutet, ja auf den Kopf zugesagt, aber ihr wollt ja nicht hören oder verstehen. Ihr seid von unserem Erfolg beim Volk verwöhnt und denkt, das geht jetzt so weiter. Nein. „Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis.“

Julius Schniewind schreibt dazu: „Der König aller Könige wird gesalbt, und er wird zum König gekrönt, gerade da er ins Leiden geht. Eben das Leiden ist der Weg zur Königsherrschaft. Das war schon in allen Leidensansagen verkündet… Aber von allen Jüngern Jesu begreift das nur eine Frau.“

Jesus war ein besonderer König. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ sagt er nach dem Joh.-Evg., als er vor Pilatus steht. Jesus herrschte nicht mit Gewalt und Macht, ihm war die Liebe das Wichtigste. Er konnte Zuwendung und zärtliche Berührung wie etwa von der unbekannten Frau zulassen,  musste nicht den starken Mann markieren. Jesus hielt seinen Weg der Liebe durch, bis zum Ende, bis zum Kreuz.

Sein Tod ist so besonders zum einen, weil wir glauben, dass er damit auch uns erlöst hat. Der Wochenspruch heute lautet: Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld / zu einer Erlösung für viele.   Jesus hat uns freigekauft mit seinem Leben – dahinter steht die Einsicht, dass letztlich niemand vor Gott bestehen kann. Doch durch Jesus, den Gesalbten, der Gott besonders verbunden war,  ja als Gottes Sohn selbst göttlich war, hat Gott die Welt mit sich versöhnt. Jesus starb unschuldig als Gottes Sohn, deshalb sind alle, die an ihn glauben, erlöst, gerechtfertigt – stehen vor Gott gut da.   

Zum anderen ist der Tod des Christus so besonders, weil er nicht im Tod geblieben ist, weil er auferweckt wurde. „Er erniedrigte sich selbst und  ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm dem Namen gegeben, der über alle Namen ist“ – so heißt es im Philipperhymnus.

Jesus, der besondere König, der Gottes Liebe in die Welt getragen und sie bis zuletzt durchgehalten hat. Wir, die wir an ihn glauben, können uns Königskinder nennen. Wir sind erlöst und gestärkt durch den Glauben an ihn. Wir sind gekrönt durch seine Liebe und geschmückt mit der Hoffnung, dass wir ihm auch in das Leben nachfolgen, das wir das ewige nennen.  - Er ließ sich von einer namenlosen Frau salben, die damit ihm und uns allen einen wichtigen Dienst erwiesen hat. „Wahrlich ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.“

Liebe Schwestern und Brüder, das ist doch eine wunderbare Grundlage für uns, die wir hier zusammen feiern und uns nachher salben lassen: Die Frau salbte Jesus – das tat ihm gut und war eine ganz entscheidende Tat. Wenn wir uns nachher salben lassen (oder selbst salben), können wir uns daran erinnern.

 

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.



Autor: Kapp-Kleineidam, Anne-Kathrin