Das Reich Gottes mitten unter uns

Predigt über Luk 17,20-24 und Ps 139,5 (Taufspruch) bei einem Gottesdienst mit Taufe


Predigttexte: Luk 17, 20-24 und Ps 139,5

Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man´s beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe hier ist es!, oder: Da ist es!

Denn siehe das Reich Gottes ist mitten unter euch. 1

Er sprach aber zu den Jüngern: Es wird die Zeit kommen, in der ihr begehren werdet zu sehen einen der Tage des Menschensohns, und werdet ihn nicht sehen. Und sie werden zu euch sagen: Siehe, da! , oder: Siehe, hier!  Geht nicht hin und lauft ihnen nicht nach! Denn wie der Blitz aufblitzt und leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum andern, so wird der Menschensohn an seinem Tage sein.

1 Luther übersetzte: „Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden….sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ 

Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. (Psalm 139,5)

 

Predigt über Luk 17, 20-24 und Ps 139, 5 am 8. Nov. 2015

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde,

„Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ So haben wir es vorhin gebetet, so lautet auch der Taufspruch von Arnold Hubert. Der Beter des Psalms 139 ist überzeugt, dass Gott um uns ist, ob wir sitzen oder stehen, gehen oder liegen. „Du siehst alle meine Wege“ betet er. Dass Gott einen von allen Seiten umgibt und seine Hand über einen hält, das wünscht man sich als Eltern und Angehörige für sein Kind; wir wünschen uns für unsere Kinder, dass Gott seine Hand über sie halten möge, also dass er sie beschützen möge.  „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“

Den Psalmworten, dass Gott in jeder Lebenssituation um und bei uns ist, entspricht der Spitzensatz des Predigttextes für heute: „Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Diesen Satz sagt Jesus auf eine Frage der Pharisäer hin. Diese frommen und gesetzestreuen Junden, die ihm als kritische Gesprächspartner gegenübertraten, hatten – ebenso wie Jesu Jünger – seine Gleichnisse zum Reich Gottes gehört; z.B. wie es in Luk 13,18f. heißt: „Jesus sprach: Wem gleicht das Reich Gottes und womit soll ich´s vergleichen?  Es gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und in seinen Garten säte; und es wuchs und wurde ein Baum, und die Vögel des Himmels wohnten in seinen Zweigen.“ Oder Jesus verglich das Reich Gottes mit einem Sauerteig, „den eine Frau nahm und unter einen halben Zentner Mehl mengte, bis der Teig ganz durchsäuert war.“ (Luk 13, 21) – Beide Male spricht Jesus vom Wie, von der Art des Gottesreiches und macht klar, dass es sich ausbreitet. Es wird bei Matthäus übrigens auch Reich der Himmel genannt und damals bis heute verbinden Gläubige mit diesem Reich einen kommenden Raum, der von Gott durchflutet ist, in dem Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Liebe herrschen.

Während Jesus in seinen Gleichnissen also vom Wie sprach, fragten die Pharisäer nach dem Wann. „Wann kommt das Reich Gottes?“ Darauf antwortet Jesus: „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man´s beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe hier ist es!, oder: Da ist es. Denn, siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“

Dies „mitten unter euch“ – im Griechischen „entos hymon“, übersetzte Martin Luther mit „inwendig in euch“, ebenso kann man sagen: „Das Reich Gottes ist in dem Raum, der der eure ist“. Dass ich hier verschiedene Übersetzungen anführe, zeigt schon, dass es nicht einfach ist, den Begriff „entos hymon“ mit einem einzigen Ausdruck zu übersetzen. Alle, die mehrere Sprachen sprechen, wissen, dass sich manches aus einer Sprache nicht so einfach mit einem Begriff der anderen Sprache sagen lässt. Der Theologe Adolf von Harnack beschrieb es so: „ Das Reich Gottes ist (…) die Herrschaft des heiligen Gottes in den einzelnen Herzen". “ Das Reich Gottes hat auch etwas mit uns zu tun, das ist sicher richtig.

Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, Gottes Reich nur in unser Inneres zu verlagern. Jesus machte durch sein Verhalten und durch seine Gleichnisse klar, dass er das Reich Gottes als nahe herbeigekommen sieht, als etwas, das sich gerade ausbreitet, unter den Menschen. – Mit „entos hymon“ ist also weder ein reines Innen noch ein reines Außen bezeichnet. Vielmehr bedeutet es jenen messionischen Zwischen-Raum, der jederzeit aufbrechen kann, wenn man offen ist für Unerwartetes. Wenn man nicht nur pragmatisch ist, nicht nur sagt: Gott gibt es nicht, ich kann ihn nicht sehen, er kann nicht bewiesen werden. Nein, dieses Reich Gottes, das Christen erwarten, ist gekennzeichnet durch Hoffnung, durch den Glauben, dass manches, was Unmöglich scheint, möglich ist oder wird.

Gottes Reich ist ein Reich der Barmherzigkeit und Liebe, das, was wir uns schon hier für unsere Kinder und auch uns selbst wünschen. Und da kommen wir wieder zu Jesus, liebe getauften Schwestern und Brüder. Wenn Jesus zu den Umstehenden sagt „Das Reich Gottes ist mitten unter euch“, dann legt das doch den Schluss nahe, dass er damit auch andeutet: Mit mir, der ich hier mitten unter euch stehe, bricht Gottes Reich an, seine Herrschaft der Liebe.“ Tatsächlich glauben wir ja als Christen, dass sich in Jesus Gottes Liebe gezeigt hat, dass in ihm Gott auf die Erde gekommen ist, so wie wir es bald an Weihnachten feiern.

Freilich steht die endgültige Erfüllung der Hoffnung, die mit Jesus verbunden ist, noch aus. Wir warten darauf, dass Jesus Christus wiederkommt: Wie wir es im Glaubensbekenntnis vorhin gesprochen haben: „… am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten. Auf diese Wiederkunft Christi,warten wir. Sie wird in unserem Predigttext als plötzlich und unerwartet beschrieben: „Denn wie der Blitz aufblitzt und leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum andern, so wird der Menschensohn an seinem Tage sein.“  Daher haben wir vorhin im Wochenlied (EG 152) vom Warten gesungen, in der 3. Strophe: „Wir warten dein; du hast uns ja / das Herz schon hingenommen. / Du bist uns zwar im Geiste nah, / doch sollst du sichtbar kommen.“ Wir wissen nicht wann, aber sein Wiederkommen ist uns verheißen.

Der Satz „Du bist uns im Geiste nah“ führt uns wieder zum Taufspruch von Arnold: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ Ja, Gott ist uns nah – mit seinem Geist. Jesus war hier auf der Erde, hat den Willen seines himmlischen Vaters deutlich gemacht, wir warten auf sein erneutes Kommen –  und solange wurde uns der Heilige Geist geschickt.  Wir sind auf den dreieinigen Gott, den Vater, Sohn und den Heiligen Geist getauft. Dass Gott mit seinem Geist um uns ist, können wir uns vielleicht nicht so gut vorstellen – wir können den Hl. Geist ja nicht sehen oder hören. So ähnlich ging es auch dem Psalmbeter, was die Sätze zeigen, die auf Arnolds Taufspruch folgen. „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen.“  Das ist es: Gott, seine Gegenwart und auch sein Reich können wir nur schwer begreifen. Vielleich kann man das vergleichen mit geliebten Menschen, die auch nicht greifbar sind, weil sie etwa auf Reisen sind oder weit weg von uns wohnen. Sie sind nicht sichtbar und nicht greifbar, und trotzdem sind sie da, trotzdem gibt es sie. So ähnlich ist es auch mit Gott: Er war sichtbar, in Jesus von Nazareth vor ca. 2000 Jahren und Gottes Reich ist mit ihm angebrochen. Jetzt sehen wir ihn zwar nicht, trotzdem gibt es ihn, wie wir glauben. Und manchmal können wir seinen Geist auch spüren. - Als Getaufte und Nachfolgerinnen Jesu sind nun wir es, die helfen können, dass sich das Reich Gottes ausbreitet, die daran mitarbeiten, dass Barmherzigkeit, Liebe und Gerechtigkeit groß werden. Wir können da in unseren Familien anfangen und den Geist von Gottes Reich weiter in die Gesellschaft tragen. Immer wenn wir das Vaterunser beten, bitten wir ja: Dein Reich komme.

Zum Schluss habe ich dazu die „Legende von den zwei Mönchen“: Es waren einmal zwei Mönche, die lasen in einem alten Buch, am Ende der Welt gäbe es einen Ort, wo Himmel und Erde sich berühren und das Reich Gottes beginnt. Die beiden Mönche beschlossen, diesen Ort zu suchen und nicht umzukehren, ehe sie ihn gefunden hätten.

Sie durchwanderten die Welt, bestanden unzählige Gefahren, erlitten alle Entbehrungen, die eine Wanderung durch die Welt mit sich bringt, und erfuhren am eigenen Leib alle Versuchungen, die einen Menschen vom Ziel abbringen können.

Aber beharrlich suchten sie nach jener Tür an ihrem Ziel, von der sie gelesen hatten. An jener Tür, wo sich Himmel und Erde berühren, brauche man nur anzuklopfen – und schon befinde man sich im Reiche Gottes. Nach langer Zeit fanden sie schließlich, was sie suchten. Sie klopften an jene Tür und bebenden Herzens sahen sie, wie sie sich tatsächlich öffnete.

Als sie eingetreten waren, befanden sie sich bei sich selber zu Hause in ihrer Klosterzelle und sahen sich gegenseitig verwundert an. Erst jetzt begriffen sie: der Ort, an dem das Reich Gottes beginnt, befindet sich auf unserer Erde genau an der Stelle, die Gott Menschen zugewiesen hat.

Ich wünsche dem Täufling und uns allen, dass wir Gottes Beistand, der uns von allen Seiten umgibt, spüren dürfen. Und ich wünsche uns, dass wir Mitarbeitende an seinem Reich sein können.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

 

 

 

 



Autor: Kapp-Kleineidam