Gott segne das ehrbare Handwerk - Handwerkergottesdienst anlässlich der Bundestagung der AG Handwerk und Kirche

Lukas 5, 1 - 11


Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus. Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen. Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken. Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

 

Liebe Gemeinde,

 

„anständig verdienen“, so hat es gestern Prof. Dr. Jänichen auf den Punkt gebracht, als er seine These für das Handwerk zum Reformationsjubiläum 2017 formulierte. Anständig verdienen – in einem doppelten Sinn, so wie wir sagen: der verdient ja anständig, d.h. ziemlich viel; aber eben auch anständig, mit Anstand, und eben nicht über zwielichtige Geschäfte oder mit Millionengehältern, die durch keine Leistung mehr gerechtfertigt sind (wie im handwerk und in der Kirche bestimmt gezahlt werden). Anständig verdienen – das ist kurz und modern ausgedrückt das Prinzip des ehrbaren Handwerks, wie es in dem Segenswunsch genannt wird, Gott möge des ehrbare Handwerk segnen.

 

Da steckt ja ziemlich viel Lebensweisheit dahinter, aber auch ein christliches Ethos. Ehrlichkeit, Anständigkeit, Fleiß und Sorgfalt zahlen sich aus. Das ist ja auch die Lebenseinstellung und das Berufsethos der Sprüche, die der ehemalige Bischof, Prof. Axel Noack, gestern früh in seiner Andacht angesprochen hat. Zum Beispiel: Lügen haben kurze Beine. Das bedeutet: wer schwindelt oder betrügt, der hat vielleicht Anfangserfolge mit Dumpingpreisen oder falschen Werbeversprechungen, aber es kommt heraus und rächt sich. So wie auch die Bierpanscherei der zwei Mädchen herausgekommen ist, die für den Türmer auf dem Stadtkirchenturm unten in der Wirtschaft im Krug das Bier holen sollten, aber dann schnell ein paar Züge stibitzten und den Rest mit Wasser vom Brunnen auffüllten, so dass sich der Türmer wunderte, dass das Bier unten immer anders, ja besser schmeckte, und sich fragte, ob das an der Höhenluft liegt – bis er die beiden zufällig bei ihrer Panscherei beobachtete. Ob es die EG schafft, über ein Gesetz zu verhindern, dass Geräte so gebaut werden, dass sie kurz nach Ende der Garantiefrist ihren geist aufgeben, weil irgend ein kleines Teil so vorprogrammiert ist. Wahrscheinlich funktioniert es nicht über Gesetze und Kontrolle, obwohl auch die nötig ist. Grundprinzip des ehrbaren Handwerks ist Vertrauen. Dass der Verbraucher beim Bäcker vertrauen kann, dass nur gutes, sauberes Mehl genommen wird, auch wenn die Lebensmittelkontrolle nicht im Haus ist. Dass der Installateur die Druckverbindung des Wasserrohres eben so fest anzieht und das beste Dichtungsmaterial verwendet, dass er eben nicht in einem halben Jahr wieder gerufen werden muss. Anders könnte er vielleicht billiger arbeiten und wieder schneller zu seinen Aufträgen kommen, also kurzfristig mehr verdienen. Aber, das zahlt sich nicht aus, sagt die Bibel und eben auch der Ehrenkodex des Handwerks. Oder auch der Fleiß, wie es in den Sprüchen heißt: Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh ihre Wege und werde weise – was mir meine Mutter sogar ins Poesiealbum schrieb, allerdings hat sie freundlicher Weise die Anrede, „du Fauler“ weggelassen. Morgenstund hat eben nicht nur für den Bäcker Gold im Mund, und da sind nicht die Goldzähne gemeint.

 

In dem Lied, das wir gestern gesungen haben und auch gleich wieder singen werden ist das mit altertümlichen Worten und vor allem mit dem schönen Begriff des Segens  beschrieben: Gott ist´s der das Vermögen schafft, was Gutes zu vollbringen; er gibt uns Segen, Mut und Kraft und lässt das Werk gelingen; ist er mit uns und sein Gedeihn, so muss der Zug gesegnet sein, dass wir die Fülle haben.“ Dieser letzte Satz, das war der Grund, warum ich die bekannte Geschichte vom Fischzug des Petrus für diese Predigt ausgewählt habe: so muss der Zug gesegnet sein; reiche Beute hat Petrus gemacht, einen riesigen Fang. Das nennt man Erfolg.

 

Allerdings fängt die Geschichte ja ganz anders an: die ganze Nacht haben wir gearbeitet und nichts gefangen. Am Fleiß hat es also nicht gefehlt, das war Kernerarbeit, erst einmal hinaus zu rudern und dann die Netzte hinauswerfen und wieder ein holen, heranziehen, ordnen, das Gras oder Äste herauspulen (alte Autoreifen oder rostige Fahrräder oder gar Ölklumpen gab es damals noch nicht im See), und wieder auswerfen, eins ums andere Mal. Auch an Fachkenntnis und Handwerkskunst fehlte es den Fischern nicht, sie sind bei Nacht Fischen gegangen und sicherlich an die Stellen, wo es am aussichtsreichsten war. Sie waren auf dem neuesten stand (heute sagt man: stand of the art – und auch das Handwerk ist heute auf dem neuesten technischen Stand. Bei den Neuen Materialien hier in Bayreuth werden zum Beispiel Forschungsergebnisse der Polymerforschung genützt für neue Produkte, wie zum Beispiel ganz leichte Fahrradrahmen aus Karbon. Nein, angestaubt ist das Handwerk nicht, und überholte Methoden wandten die ischer damals auch nicht an, obwohl das für uns ziemlich antiquiert ausschaut. Aber diese Erfahrung: wir haben die ganze Nacht gearbeitet, oder den ganzen Tag, und nichts gefangen. Wir haben uns angestrengt, aber es war vergeblich – diese Erfahrung machen wir heute genauso. Es liegt also nicht nur am Fleiß, an der Ehrlichkeit und am fachlichen Können. Liegt es dann an Gott? Hat er seinen Segen verweigert? Oder gab es doch noch einen Grund im Herzen der Menschen, so dass man sagen könnte: du bist doch selbst schuld, wenn das nicht so funktioniert.

 

Ich wäre beinahe verrückt geworden, gesteht einer im 73. Psalm, ich hätte beinahe meinen Glauben verloren in Gott und in die Welt; als ich sah, dass es dem Gottlosen so gut geht. Da müssen Leute gewesen sein, die sich nichts um Gott und seine Gebote scherten, sie werden Großmäuler genannt; aber die haben Erfolg, nicht nur dass sie viel Geld verdienen, sondern denen laufen mit ihren schnellen Erfolgsrezepten auch noch die Leute nach. Das war kein Kommentar zu den Auslösern der Wirtschafts- und Bankenkrise vor einigen Jahren, als Hedgefondsmanager mit Spekulationsgewinnen lockten; das war Ausdruck der Anfechtung eines Mannes, der verzweifelte, weil das mit diesen Lebensregeln eben nicht so glatt aufgeht, das unrecht Gut nicht gedeiht und ehrliches Handwerk dagegen goldenen Boden habe. Die ganze Nacht gearbeitet, aber nichts gefangen, so geht es manchen ja nicht nur in der Arbeit, sondern auch in anderen Lebensbezügen. Die ganze Zeit gehofft, gebetet, gewacht am Krankenbett, alle möglichen Therapien, aber letztlich ohne Erfolg. Oder dem Schüler, der büffelt, dem der Kopf über den Büchern raucht, aber es geht nicht hinein. Jedenfalls wehrt sich Hiob mit aller Gewalt dagegen, dass ihm die angeblichen Freunde unterstellen: du bist doch selbst schuld, irgendetwas musst du falsch gemacht haben! An Gott und seinem Segen kann es nicht gelegen haben, wenn der Zug – wie es im Lied heißt, nicht gesegnet war. So einfach funktionieren diese Lebensregeln eben doch nicht. Auch im Handwerk wird es nicht so glatt aufgehen.

 

Aber nun gibt es von Petrus in dieser Geschichte noch einen zweiten Satz, der Geschichte gemacht hat. „aber auf dein Wort“, auf dein Wort will ich noch einmal hinaus fahren, auch wenn es gegen alle Regeln des Handwerks und der Fischerei ist, mitten am Tag; auch wenn wir ziemlich fertig sind und sehr frustriert; also selbst wenn es ziemlich sinnlos aussieht: wir probieren es noch einmal und fahren hinaus. Das ist keine Aufforderung, sich auf blinde und sinnlose Abenteuer einzulassen, also zum Beispiel dort zu investieren, wo schon viele andere banden gegangen sind. Man nennt das dann wohl Hasardeure. Manchmal ist es tatsächlich klüger aufzugeben und nicht mit dem Kopf durch die Wand zu wollen; vielleicht auch, die Schulart zu wechseln oder seinen Berufswunsch realistischer zu wählen. Aber schon rein menschlich gesehen, machen wir auch diese Erfahrung: ich hatte schon aufgegeben, innerlich; ich hatte schon abgeschlossen: das wird nichts mehr. Und dann hab ich es doch noch einmal probiert, vielleicht schon im Glauben: das wird doch wieder nichts, aber noch einen Versuch. Und auf einmal hat es geklappt. Vielleicht hat es nur deshalb geklappt, weil diese Anspannung, dieses Muss weg war, es muss doch gehen, ich muss es doch schaffen. Manchmal geht es mir so in meinen heimwerkerischen Bemühungen. Ich finde darin aber auch dieses Durchhaltevermögen, wie es der Dichter Rudolf Otto Wiemer in seinem Gedicht „Was ich mir wünsche“ am Bild der Spinne zeigt, die die Zerstörung ihrer Netze nicht zählt, oder am beispiel des Grases, das trotz all dieser Schnitte, obwohl es ständig gemäht wird, immer wieder neu wächst. Dieses Durchhaltevermögen, man könnte es auch Frustrationstoleranz nennen, ist wohl auch im Handwerk nötig, oder wenn man einen Betrieb führt.

 

Aber nun geht es eben nicht nur um solchen langen Atem und darum, es mmer wieder zu versuchen. Petrus sagt es ja zu Jesus: aber auf dein Wort hin. Nicht dass er seine letzten Kräfte zusammen genommen hätte, sich zu einer letzten Kraftanstrengung durch gerungen hätte, sondern es ist Ausdruck des Vertrauens: auf dein Wort hin, wenn du es sagst, dann will ich alle Müdigkeit und alle Vernunftgründe vergessen und es tun. Gestern war ja auch Exbischöfin und ehemalige Ratsvorsitzende der EKD Dr. Margot Käsmann als Referentin zu Gast. Sie hatte eine ganz andere These, die ihr am wichtigsten war, nämlich die 62.These von 95 Thesen Martin Luthers: Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium von der Herrlichkeit und Gnade Gottes. Das Evangelium von der Gnade und Herrlichkeit Gottes. Am Ende sinkt Petrus ja auf die Knie und ist überwältigt; nicht so sehr von dem Fang, den er und seine Kollegen da gemacht haben, von dem nicht mehr erwarteten, überwältigenden Erfolg, dass die Netze fast zerrissen und die Boote fast gekentert wären. Er ist überwältigt von diesem Mann, den er da mit ins Boot genommen hat. Und wenn er sagt, geh hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch, dann meint er eigentlich: bleib, bleib doch da; ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ. Diese Art Wundererzählungen, von denen es in der Bibel mehrere gibt, nennen Theologen „Geschenkwunder“. Es gibt vor allem Heilungswunder (wobei die Heilung auch ein Geschenk ist) und eben Geschenkwunder, wie auch das mit den 5000 Broten, doch zu denen kommen wir später. Ich höre aus diesen Wundern, dass wir beschenkt sind und beschenkt werden; auch wenn wir meistens kleinere Fische fangen und uns auch manchmal gehörig anstrengen müssen, weil es ohne  Fleiß keinen Preis gibt – oder doch. Ist uns nicht vieles ohne Anstrengung zugefallen, diese schönen Zufälle. Geschenk ist beides, wenn die Anstrengung Erfolg bringt und wir nicht sagen müssen, ich habe die ganze Nacht gefischt und auch nicht im Trüben gefischt und trotzdem nichts gefangen, sondern wenn der Zug gesegnet ist. Geschenk ist, wenn die Mühe sich gelohnt hat. Und wenn es manchmal ganz mühelos geht.

Amen



Autor: Dekan Hans Peetz