Konfirmationsjubiläum

Jesaja 55,1-3


Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben. Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, euch die beständigen Gnaden Davids zu geben.

Liebe Jubelkonfirmanden, liebe Gemeinde!

Eine ältere, wohlhabende Dame hat zum wiederholten Mal in der Nacht ihren Hausarzt herbeigerufen. Er untersucht sie, misst den Blutdruck, hört die Lunge ab, schaut in den Hals und in die Augen. Er findet nichts. Der Dame geht es auch schon wieder viel besser. Etwas entschuldigend schließt sie: Ach Herr Doktor, jetzt sind Sie ganz umsonst gekommen. Der Arzt schaut sie lächelnd an: Vergeblich, gnädige Frau, vergeblich, nicht umsonst.

Damals, als es noch keine Krankenversicherung gab und der Arztbesuch aus eigener Tasche bezahlt werden musste, war es ein entscheidender Unterschied: Vergeblich, aber nicht umsonst. Die Rechnung folgte auf dem Fuß.

Der Prophet Jesaja tritt auf wie ein Marktschreier, wie der billige Jakob, den die alten Bayreuther noch gut kennen. Er ruft etwas, das so ähnlich klingt wie „Freibier!“ Kommt, alle die ihr durstig seid. Auch wenn ihr kein Geld habt, kauft und esst. Kommt und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch. Das ist die eine Botschaft: die echten Lebensmittel, das, wovon wir leben, gibt es umsonst.

Wie ein echter Marktschreier belässt es der Prophet nicht dabei, die eigene Ware anzupreisen. Er tut etwas, was bei uns früher in der Werbung streng verboten war, was es in Amerika schon längst gab und inzwischen auch bei uns erlaubt ist: vergleichende Werbung. Oder einfacher gesagt: Er macht die Ware der anderen schlecht: Warum zählt und blättert ihr Geld hin für etwas, was kein Brot ist. Warum gebt ihr euer sauer verdientes Geld aus für etwas, was nicht satt macht?

Wenn Sie heute, 60, 65, 70 oder gar 75 Jahre nach ihrer Konfirmation zurückblicken auf ein langes Leben, auf Erlebnisse eines 75-, 80-, fast 90-jährigen Lebens, dann können Sie wohl beide Botschaften des Propheten Jesaja bejahen und unterstreichen. Ich fange mit dem Negativen an. Warum blättert ihr euer sauer verdientes Geld für etwas hin, was nicht satt macht? Vergeblich, sagt der Arzt, vergeblich, aber nicht umsonst. Mancher hat teuer bezahlt. Sie wissen, dass nicht nur Geld gemeint ist. Mancher hat teuer bezahlt in seinem Leben. Ja, eine ganze Generation hat teuer bezahlt. Sie haben etwas hingegeben in ihrer Jugend. Die Kronjuwelen waren um die 12 Jahre alt, als 1939 der Krieg begann. Viele haben ihre jugendliche Begeisterung einbezahlt, ihre Ideale, das Teuerste, was Jugendliche haben. Manche haben sogar ihr Leben gegeben, das Allerteuerste. Wofür? War es vergeblich? Gestohlene Zeit? Gestohlene Jugend, gestohlene Gesundheit, gestohlene Heimat? Viele stammen aus Flüchtlingsfamilien, haben selbst Flucht und Vertreibung erlebt. Viele haben teuer bezahlt.

Aber es wird nicht nur für diese schreckliche Zeit des 3. Reiches und des Krieges gelten, dass man dem Propheten recht geben muss, wenn er fragt: Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Nach dem Krieg hatte man ja wenig, was man hätte ausgeben können. Aber allmählich kam das Wirtschaftswunder und mit ihm immer mehr Wohlstand. Mit der Zeit gewöhnte man sich daran, Dinge zu kaufen, die man nicht unbedingt braucht. Ein bisschen Luxus zunächst, wer dürfte einem das missgönnen, zum ersten Mal eine Reise ins Ausland, Urlaub, Bohnenkaffe und Pralinen, der Fernseher. Langsam entspannte sich der harte Kampf der Nachkriegszeit. Für viele endlich der oder der kleine Genuss, ein bisschen Luxus. Heute freilich ist die Frage des Propheten höchst aktuell: Warum zählt ihr Geld hin für das, was kein Brot ist, und euren sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Sind wir ihr glücklicher geworden mit 25 Fernsehprogrammen? Wenn ich manchmal spätabends durch die Kanäle zappe, bleibt eine oberflächliche Leere. Was macht uns satt, ohne zu übersättigen?  Teuer erkauft ist unser Lebensstil, weil wir so vielem hinterher rennen, was wir noch alles mitnehmen möchten. Werden wir wirklich satt davon?

Ich möchte noch auf einen dritten Bereich kommen, wo wir vielleicht diese Erfahrung machen: Es hat mich viel gekostet, aber es war vergeblich. Nicht umsonst, ganz im Gegenteil, aber vergeblich. Ich denke gar nicht an Geld, sondern an andere Investitionen des Lebens. Ich habe mich abgemüht und angestrengt, sei es in der Arbeit oder in einer Beziehung. Ich habe mich bemüht und sehr viel gegeben. Vielleicht für die Kinder, vielleicht für den Ehepartner: immer die eigenen Wünsche zurückgestellt, immer gegeben, immer auf sich genommen, immer hinuntergeschluckt, Jahre geopfert. Und dann der bittere Nachgeschmack, die Frage: War es vergeblich? Wenn alles ganz anders gekommen ist als gewünscht. Wenn einer sich abgewendet hat und seine eigenen Wege gegangen ist. Wenn man den Arbeitsplatz verliert oder das Geschäft aufgeben muss. Wenn man so viel investiert hat an Zeit und Geld, an Energie, an Liebe, an Kraft. Und man hat den Eindruck: Es hat nichts genützt. Es war bei Leibe nicht umsonst. Es hat viel gekostet. War es vergeblich?

Es gibt ja die Erfahrung, dass Menschen sagen können: Dieser Umweg war wichtig. Auch wenn ich gedacht habe, es führt mich nur weiter vom Ziel. Aber es war notwendig. Es gibt Leute, die meinen, es gibt gar nichts Vergebliches im Leben. Alles hat seinen Sinn. Vielleicht sehen Sie das, liebe Jubelkonfirmandinnen und -konfirmanden, im Rückblick auf ihr Leben auch so, dass sie sagen können: Auch das, was mir vergeblich erschien, die Holzwege und Sackgassen, gerade die steinigen Wege, die haben mich näher ans Ziel geführt. Es war nicht umsonst, nicht vergeblich. Aber ich denke auch, dass es das tatsächlich gibt: Ich habe es mir sehr viel kosten lassen, aber scheinbar vergeblich.

Das ist die eine Botschaft: Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Aber heute soll die andere Botschaft im Mittelpunkt stehen: Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst, was ihr zum Leben braucht. Denn das Wesentliche im Leben kann man sich nicht kaufen. Man bekommt es geschenkt. Manche Leute sagen: Es wird einem nichts geschenkt im Leben. Ich meine, das ist ein sehr verengter Blick. Ich setze dagegen: Das Wichtigste im Leben können wir uns nicht selbst erarbeiten, schon gar nicht mit Geld kaufen. Das Wichtigste im Leben ist das Leben selbst, das sind die Menschen, die uns das Leben gegeben haben. Am Konfirmationsjubiläum denken Sie vielleicht auch an die eigenen Eltern, für die damals auch ein wichtiger Tag war. Viele haben eigene Kinder, haben Leben in den Schoß und in die Hände gelegt bekommen. Wenn heute so viel über Gentechnik, über künstliche Befruchtung, über Präimplantationsdiagnostik, über Veränderung des Erbgutes, auch über Sterbehilfe und Euthanasie geredet wird, dann wird oft übersehen, dass wir als Menschen sehr viel machen können, aber nicht das Leben. Es wird uns geschenkt und es wird uns genommen. Und vieles, was uns wertvoll geworden ist in diesem Leben, war und ist Geschenk. Die Menschen, die uns begleiten, die Freunde, die wir gefunden haben, damals schon in der Jugend; der Partner, mit dem jemand durchs Leben geht. Die Liebe eines Menschen, die man nicht zwingen kann, die sich wie ein bunter Schmetterling hinsetzt; wehe, man versucht ihn zu greifen und zu zwingen. Man zerstört die Schönheit seiner Farben und die Zartheit seiner Flügel.

Jesaja preist an, was es kostenlos gibt von Gott. Er nennt Wasser, Wein und Milch. Wasser, das ist die Grundlage des Lebens, das Leben selbst, fließend und ständig im Fluss, hervorsprudelnd aus einer Quelle, täglich frisch und neu. Wir können auch an das Wasser unserer Taufe denken. Als kleine Kinder sind wir getauft worden, manche hier in der Stadtkirche an diesem Taufstein. Das Wasser wurde über unseren Kopf gegossen. Wasser als Zeichen der Treue Gottes. Es fließt immer weiter, unaufhörlich. Wir leben davon.

Dann der Wein. Vielleicht trinken Sie auch heute ein Gläschen Wein. Er war schon immer Zeichen des Festes und der Freude. Wenn es etwas zu feiern gibt, im kleinen intimen Kreis oder in der großen Runde. Der Wein, der uns zeigt, dass das Leben mehr ist als Arbeit und Mühe; der uns beschwingt, die Zunge und manch andere Verkrampfung löst. Wir können auch an den Wein beim Abendmahl denken. Damals vor 60, 65, 70 oder gar 75 Jahren haben Sie zum ersten Mal teilgenommen, vielleicht mit Herzklopfen und einem mulmigen Gefühl im Bauch; das erste Mal zum Abendmahl, zur Beichte gehen, wie man in Oberfranken sagt. Kommt herzu, denn es ist alles bereit, schmecket und sehet wie freundlich der Herr ist. Und am Ende das Psalmwort, das ich als Motto für diese Feier ausgesucht habe: Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.

Und dann preist Jesaja noch die Milch an. Nun, die Milch kommt in der Kirche seltener vor. Es gibt auch kein Sakrament mit Milch. Milch, das ist für mich Zeichen der Kraft. Die Muttermilch nährt die Kinder, dass sie groß und stark werden. Milch macht müde Männer munter. Milch war in armen Zeiten Kraftnahrung, mit ihren Produkten Jogurt, Butter und Käse ist sie es heute noch. Die Kraftquellen meines Lebens, was mir innerlich Kraft gibt, das ist gemeint. Was gab Ihnen, was gibt uns immer wieder Kraft, Kraft durchzuhalten, Kraft wieder aufzustehen, Lebensmut?  Dass die Sonne immer wieder aufgeht? Dass sich auch die dunkelsten Wolken verziehen? Dass Gott versprochen hat, uns nicht allein zu lassen? Dass da immer wieder liebe Menschen sind?

Wasser, Wein, Milch, Leben und Liebe und was man alles noch aufzählen könnte: Das Wesentliche ist Geschenk. Kommt her, die ihr durstig seid, ruft Jesaja, von Gott bekommt ihr alles umsonst! Warum müht ihr euch denn ab für Dinge, die doch nicht satt machen? Kommt zu Gott, zur Quelle des Lebens und erquickt euch, stärkt euch, holt euch Kraft! Die Quelle steht offen, ein Leben lang. Und wenn ihr sie lange nicht genutzt habt, Gott ist nicht nachtragend. Er rechnet nicht auf, wie oft ihn jemand versetzt hat. Wer bei uns eine Einladung immer wieder ausschlägt, wird bald nicht mehr eingeladen. Gott hält seine Türen offen.

Ich will mit euch einen Bund schließen, heißt es am Ende. Gott hat mit Ihnen einen Bund geschlossen, damals bei Ihrer Taufe. Bei Ihrer Konfirmation haben Sie diesen Bund mit Ihrem eigenen Ja bekräftigt. Heute, viele Jahre später, sollen Sie noch einmal Ja sagen. Ja, im Rückblick auf ein langes Leben: Ja, ich habe diese Treue erfahren, ich habe vieles geschenkt bekommen. Ja aber auch im Vorblick auf die Zukunft: Was auch kommen mag, halte mich fest, mein Gott. Ich will mich festhalten an dir. Es soll ein ewiger Bund sein. Ein Bund, der hält, sogar durch den Tod hindurch. Denn bei dir, mein Gott, ist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht. Amen



Autor: Dekan Hans Peetz