Wie Jesus nachfolgen?

Luk 9, 57-62: Und als sie auf dem Weg waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuerst hingehe und meinen Vater begrabe. Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! - Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuerst, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.


Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde!

Jesus nachfolgen – was heißt das? Was bedeutet das für mich? Und ist es uns überhaupt möglich – nach dem, was wir gerade in der Lesung gehört haben?

Denn gleich zu Anfang unseres Textes aus Lukas 9 warnt Jesus ja einen, der ihm nachfolgen will. Jesus befindet sich mit seinen Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem. Er ist bewusst auf dem Weg in die Hauptstadt, wo Gefahr für sein Leben besteht. Er hat dies seinen Jüngern auch kurz vorher angekündigt: „Der Menschensohn“ – so nennt Jesus sich selbst – „wird überantwortet werden in die Hände der Menschen“, sagte er. Von daher rät er dem, der sich ihm und den Jüngern anschließen will: „Überleg dir das gut!“ In bildlichen Worten sagt er: „Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“

Im Konfirmandenunterricht beschäftigen wir uns gerade näher mit Jesus; mit dem was er sagte - etwa in der Bergpredigt -, und mit dem, was er tat. Ich denke, alle hier kennen die Geschichte, wie Jesus die Kinder zu sich ruft, gegen den Widerstand seiner Jünger. Jesus stellt die Kinder den Erwachsenen als Vorbild hin – „ Ihnen gehört das Reich Gottes“. Und dann herzt er sie, er umarmt sie liebevoll und segnet sie.

Doch er kann auch ganz anders sein, nicht freundlich und liebevoll, sondern schroff, ja radikal wie in unserem Text: Da ist einer, der sich noch von den Seinen verabschieden will, bevor er Jesus nachfolgt. Diese Bitte erscheint verständlich, wenn nicht selbstverständlich. Sich vor einer Reise zu verabschieden, ist nicht nur ein Gebot der Höflichkeit, sondern wichtig für eine gute Beziehung zu seinen Mitmenschen. In einer entsprechenden Situation, nämlich als der Prophet Elia den Elisa beruft, während der auf dem Feld pflügt, bittet Elisa (1.Kön 19,19ff): „Lass mich meinen Vater und meine Mutter küssen, dann will ich dir nachfolgen.“  Und Elia lässt ihm dazu Zeit.

Anders Jesus: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes“. Beim Pflügen muss man nach vorne schauen, damit die Ackerfurchen gerade werden. „Du lass jetzt alles hinter dir und komm gleich. Gottes Reich ist wichtiger als alles andere“, sagt Jesus mit seinen WortenLukas, der dies berichtet, macht damit klar: Jesus ist mehr als Elia – und er und seine Verkündigung kommen vor allem anderen.

Noch krasser ist Jesus zu dem, den er auffordert, ihm nachzufolgen, und der ihn bittet: „Herr, erlaube mir, dass ich zuerst hingehe und meinen Vater begrabe.“ – Die Konfirmandinnen und Konfirmanden haben die 10 Gebote gelernt, wissen deshalb, wie das 4. Gebot lautet: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dir´s wohlgehe und du lange lebest auf Erden.“

Die Eltern sind zu ehren, die letzte Ehre, das Begräbnis, gehört natürlich dazu.

Doch Jesus sagt: Kein Zuerst, weder zuvor einen Toten begraben, noch zuerst verabschieden. Jetzt ist das Reich Gottes dran.

Einer, der sich viele Gedanken zur Nachfolge gemacht hat und ein ganzes Buch mit dem Titel „Nachfolge“ geschrieben hat, war Dietrich Bonhoeffer. Am 9. April werden es 70 Jahre, dass er von den Nazis wegen seiner Arbeit im Widerstand hingerichtet wurde. Bonhoeffer schreibt zu unserer Stelle: „Ein klares Gebot des Gesetzes steht hier zwischen dem Gerufenen und Jesus.“ (Eben das 4. Gebot). Dem tritt der Ruf Jesu mächtig entgegen, gerade jetzt unter keinen Umständen irgendetwas zwischen Jesus und den Gerufenen treten zu lassen, und sei es das Größte und Heiligste, sei es das Gesetz.“

Jesus und Gottes Reich sind wichtiger, wichtiger als Konventionen,  sogar als das Gesetz.  „Geh hin und verkündige das Reich Gottes“.

Dass das Reich Gottes an erster Stelle kommt, erinnert mich an Jesu Worte aus der Bergpredigt zum Sorgen: Sorgt euch nicht darum, was ihr anzieht oder zu essen haben werdet. „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“

 

Und was bedeutet das nun für uns, liebe Gemeinde, für unsere Nachfolge, unser Christsein? Wie kann Nachfolge heute aussehen?

Wir sind nicht wie die Jünger damals mit Jesus auf dem Weg nach Jerusalem, doch wir sind als Christen hier und heute unterwegs. Ich denke, es ist deutlich geworden: Für seine Nachfolgerinnen und Nachfolger damals wie heute soll als Wichtigstes Gottes Reich und seine Verwirklichung sein.

Nachdem ich diesen Begriff jetzt so oft gebraucht habe, möchte ich ihn nun etwas ausführen: Mit Reich Gottes ist nicht nur das Jenseits gemeint, doch dieses ist auch mit im Blick: Wenn Jesus von sich als Menschensohn sprach, hörten Juden die Stelle aus Daniel 7 mit, wo es heißt (V13f):  „Siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war (…) Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker (…) dienen sollten“.

Gottes zukünftiges Reich ist also durchaus der Horizont; doch dieses Reich beginnt nicht erst in einer fernen Zukunft, sondern schon hier. Das hat Jesus etwa in vielen Gleichnissen gezeigt, wie in dem vom klitzekleinen Senfkorn, das zu einem großen Busch heranwächst, der Vögeln Schatten spendet.  Das Reich beginnt klein, hat aber das Potenzial, sich enorm auszubreiten. - Und in Luk 17 sagt Jesus auf die Frage eines Pharisäers: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch“.  - Mit diesem Begriff darf man also niemand auf die Ewigkeit vertrösten. Gottes Reich fängt schon hier unter uns an.

Wichtige Stichworte dabei sind Gerechtigkeit, Gleichheit  und Gleichberechtigung– heute ist ja Weltfrauentag. Wichtige Stichworte sind des Weiteren Friede, und vor allem Liebe - Liebe zu Gott und seiner Schöpfung und Liebe zum Nächsten, Barmherzigkeit.

 Zum Thema Nächstenliebe hat Dietrich Bonhoeffer 1943 etwas geschrieben, was auch für uns heute Maßstab sein kann. Ich lese Teile aus seinen Gedanken zum „Mitleiden“: „Wir sind gewiß nicht Christus und nicht berufen, durch eigene Tat und eigenes Leiden die Welt zu erlösen, (…) wir sind nicht Herren, sondern Werkzeuge in der Hand des Herrn der Geschichte (…) Wir sind nicht Christus, aber wenn wir Christen sein wollen, so  bedeutet das, daß wir an der Weite des Herzens Christi teilbekommen sollen in verantwortlicher Tat, die in Freiheit die Stunde ergreift und sich der Gefahr stellt, und in echtem Mitleiden, das nicht aus der Angst, sondern aus der befreienden und erlösenden Liebe Christi zu allen Leidenden quillt. Tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen sind keine christlichen Haltungen. Den Christen rufen nicht erst die Erfahrungen am eigenen Leibe, sondern die Erfahrungen am Leibe der Brüder, um derentwillen Christus gelitten hat, zur Tat und zum Mitleiden.“

 

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen, wir befinden uns Gott sei Dank nicht in der Gefahr, in der sich Jesus in Jerusalem befand oder in der Dietrich Bonhoeffer und all die waren, die sich im 3. Reich gegen Hitler stellten. Doch auch wir kommen immer wieder in Situationen, wo wir uns entscheiden müssen – etwa wenn ein Mitschüler oder eine Arbeitskollegin gemobbt werden, oder wenn wir anderes Unrecht erleben. Schauen wir einfach zu oder sogar weg, oder setzen wir uns ein für die, die Unterstützung brauchen, auch wenn das vielleicht Nachteile für uns bringt? Es gibt viele Gelegenheiten, wo wir uns einsetzen können, wo wir das Reich Gottes verkündigen können, wie Jesus es seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern aufgetragen hat. 

Manche Schritte hin aufs Reich Gottes zu sind auch gar nicht so spektakulär. Marianne Sperl, ein Gemeindeglied hat Erinnerungen aus ihrem Leben aufgeschrieben:

Es ist noch nicht lange her, da funktionierte mein CD-Player nicht mehr.

 

Wie kann das gehen, die lange bevorstehenden Winterabende ohne Musik! Ich probierte da und dort, schraubte und schlug aufs Gerät – nichts. Ich rief eine Firma an. Bald kamen zwei junge Mechaniker, ein weißer und ein schwarzer. Ein paar Handgriffe und es ging wieder.

Etwas beschämt sag ich: „So blöd wird man im Alter, dass man so was nicht selber kann.“

Sagt der Schwarze liebevoll lächelnd: „Meiner Oma geht´s genauso.“ Und sie nehmen keinen Cent für ihr Kommen und ihre Arbeit.

Wie so kleine Freundlichkeiten einen ganzen Tag durchleuchten können!

(Aus: Marianne Sperl, Begegnungen – Das Leben leuchtet, 2014)

 

Liebe Gemeinde, der schwarze junge Mann handelte voller Nächstenliebe und Mitleiden – er wollte nicht, dass sich die alte Frau dumm oder unfähig fühlt. Vielleicht hat er bei seinem Besuch etwas von ihrer großen Herzenswärme mitbekommen. Daher tröstete er sie damit, dass es anderen auch so geht. Das war eine kleine Freundlichkeit, doch sie brachte viel Licht und Freude.

Es gibt viele Schritte auf dem Weg der Nachfolge Jesu und aufs Reich Gottes zu; wir können und sollen sie gehen, mit Rücksicht auf die eigenen Kräfte und Möglichkeiten.  Möge uns Gott auf unserem Weg begleiten!

 

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.



Autor: Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam